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Erfrorene Rosen

Erfrorene Rosen

Titel: Erfrorene Rosen
Autoren: Marko Kilpi
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würde der kalte Zahn des Zynismus in irgendeiner Lebensphase an jedem nagen – die Frage sei nur, wie kräftig.
    Tossavainen ist also nicht nur eine klägliche Gestalt, er kann einem auch Angst einjagen. Was, wenn der Psychologe tatsächlich recht hat? Wenn dieser Mann mit all seinen Schwächen, wenn diese merkwürdige Gestalt das Endprodukt der polizeilichen Evolution ist? Wird Olli in zwanzig Jahren auch so aussehen?
    Vor vielen Jahren hatte Olli sich versprochen, mehr noch, er hatte sich geschworen, nie mehr in seine Heimatstadt zurückzukehren. Eine der schlimmsten Enttäuschungen, die er bei seiner Ausbildung zum Polizisten erlebt hat, war die Tatsache, dass er diesen Schwur brechen muss. Das tat weh, und er hatte intensiv darüber nachgedacht, wie er diesem Schicksal entgehen könnte. Doch letzten Endes musste er sich fügen, klein beigeben und seinen Stolz herunterschlucken. Ihm bleibt keine andere Wahl, als den Unannehmlichkeiten entgegenzutreten, die ihn erwarten, wenn er sein Versprechen bricht. Denn zum Berufspraktikum musste er in seinen Geburtsort zurückkehren, daran konnte keine Macht der Welt etwas ändern.
    Seit ihm das klar geworden ist, hat Olli sich mit dem Gedanken beschwichtigt, dass der Aufenthalt in dieser verfluchten Stadt vielleicht doch etwas Gutes zeitigen kann, dass die Versetzung dorthin womöglich ein Wink des Schicksals ist; er muss nur ein Zeichen dafür finden. Tossavainen und vor allem die Art, wie der erste Arbeitstag angelaufen ist, kann er beim besten Willen nicht als gutes Omen empfinden. Eher als letzten Nagel zu seinem Sarg. Es ist klar, dass er einen großen Fehler gemacht hat, für den er teuer bezahlen muss. Das ist die einzige Deutung, die ihm momentan plausibel erscheint.
    Vielleicht ist es dennoch klüger, noch eine Weile zu schweigen. Den richtigen Zeitpunkt abzupassen und dann den Mund aufzumachen. Oder ihn für den Rest seines Lebens zu halten.
    »Na also, da kommt die ATE ja schon angehüpft«, stellt Tossavainen fest und späht zum anderen Ende der Abteilung hinüber.
    Zwei Sprengstoffspürhunde machen sich daran, die Verkaufsräume abzusuchen. Sie schnüffeln in alle Richtungen, schauen zwischendurch flüchtig zu ihren Führern auf und setzen die Suche fort. Ab und zu zeigt einer der Beamten auf etwas, dann stürzt der Hund unverzüglich auf den betreffenden Gegenstand zu.
    »Alles für die Katz. Die werden nichts finden«, erklärt Tossavainen und seufzt gelangweilt.
    Ein Blitzlicht flammt auf. Olli ist für kurze Zeit geblendet. Er fragt sich, warum ausgerechnet jetzt jemand knipsen will. Erneut blitzt es, und nun merkt er, dass ein Polizeifotograf am Werk ist. Etwas weiter weg weist ein zweiter Polizist per Megafon die vor dem Kaufhaus stehenden Menschen an, die abgesperrte Zone möglichst schnell zu verlassen. Die Leute treten gemächlich zurück, einige brauchen allerdings noch eine persönliche Aufforderung.
    Auch Olli und Tossavainen verlassen das Kaufhaus, denn der angekündigte Detonationszeitpunkt rückt bedrohlich näher. Der Fotograf knipst auch hier unermüdlich weiter, er versucht, alle Anwesenden für die späteren Ermittlungen abzulichten. Olli mustert die Menschenmenge. Wie bei Brandstiftungen mischt sich womöglich auch hier der Täter unter das Publikum, um zu beobachten, was er erreicht hat, um das Chaos zu genießen, dessen Erzeuger er ist.
    Die Männer der Antiterroreinheit sind mit ihren Hunden schon vor einer Weile aus dem Kaufhaus herausgekommen. Unverrichteter Dinge.
    Tossavainen schaut auf die Uhr an der Wand des Gebäudes. »Eine Minute«, sagt er.
    Noch eine Minute, dann wird sich zeigen, ob sich Tossavainen auch in diesem Fall geirrt hat. Und wenn es sich tatsächlich so verhält? Sollte Olli vielleicht doch noch ein Stück zurücktreten? Ist die Sperrzone überhaupt groß genug? Scherben bringen Glück, sagt man, aber hier trifft das nicht unbedingt zu. Fünfundvierzig Sekunden. Die Zeit schleicht dahin. Olli merkt, dass er sich unbehaglich fühlt, unruhig, sogar irgendwie gereizt.
    »Hast du Geld bei dir?«, fragt Tossavainen plötzlich.
    »Geld?«, stammelt Olli.
    »Ja. Kohle, Mäuse. Kannst du mir mit einem Zwanziger aushelfen?«, präzisiert Tossavainen und reibt sich die Nase. »Ich hab keine Kippen mehr und bin total blank. Kriegst es vom nächsten Gehalt zurück. Also was ist, kannst du mir was leihen?«, wiederholt er und sieht Olli ungeduldig an.
    Der schaltet nicht sofort. Seine Kapazität reicht nicht, um alles
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