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Erfrorene Rosen

Erfrorene Rosen

Titel: Erfrorene Rosen
Autoren: Marko Kilpi
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helles Teil, das aussieht, als sei es von etwas Größerem abgebrochen. Es ist von dunklen Spritzern übersät, und obenauf liegt eine dünne Schicht weißer und grauer Staub. Olli weiß nicht, was er davon halten soll. Er dreht sich wieder zu dem Badezimmer hin und zuckt zusammen.
    Tossavainen ist in die Hocke gegangen und gibt so den Blick ins Bad frei, dessen Wände über und über von Spritzern bedeckt sind. Hier und da liegen ähnliche Gebilde wie das, das an der Tür entlang auf den Fußboden gerutscht ist. Olli sieht einen ausgestreckten Arm, ein Bein und eine große Blutlache unter der Körpermitte des Toten. Der Rest wird durch die Wand verdeckt.
    Tossavainen hockt an der Tür und lässt, obwohl im Bad Licht brennt, den Kegel seiner Taschenlampe langsam über den Fußboden und die Leiche streifen. Links neben dem Toten liegt ein Gewehr. Tossavainen richtet sich auf, sieht Olli nachdenklich an, räuspert sich, schüttelt leicht den Kopf und macht sich auf den Weg in die Stube.
    Ollis Blick fällt auf die Handfläche des Toten. Sie sieht welk aus, gelblich, ein bisschen wie aus Plastik und vor allem leblos. Olli ist von dem Anblick überrascht. Es kommt ihm vor, als wäre das, was da zu seinen Füßen liegt, kein Mensch, sondern eine zerbrochene Puppe, die Nachbildung eines Menschen, die in die Badezimmerecke geschleudert wurde wie ein zerschlissenes, fadenscheiniges Kleidungsstück. Überraschenderweise stürzt die Leiche Olli nicht in emotionalen Aufruhr. Es fällt ihm sogar leicht hinzuschauen. Ermutigt von dieser Feststellung, macht er einen halben Schritt vorwärts, dann noch einen, und überblickt endlich das ganze Bad. Für einen flüchtigen Moment packt ihn der Wunsch, die zwei Schritte wieder zurückzutreten, doch er tut es nicht. Er zwingt sich, reglos stehen zu bleiben und nach vorn zu schauen, sich an den Anblick zu gewöhnen.
    Aus Filmen und Fernsehserien hat er gelernt, wie ein erschossener Mensch aussieht. Bisweilen wird der Moment, in dem die Kugel sich in menschliches Fleisch frisst, sogar als romantisches Ereignis dargestellt, als traumähnliche Szene. Doch dies hier ist weit entfernt von solchen Bildern. Der Kopf des Toten scheint fast völlig zu fehlen. Nur der Unterkiefer samt Zähnen ist erhalten. Das Gehirn nur noch eine wässrige Masse, die mit dem Blut auf den gekachelten Boden des Badezimmers geschwemmt wurde. Ein Teil der Hirnmasse ist in kleineren Klumpen an die Wände gespritzt. Das Blut ist dunkelrot geworden, teils bereits geronnen, und am Rand der Lache beginnt es zu trocknen, sich in schwarze, rissige Flocken zu verwandeln.
    Nachdem er den Toten eine Weile entgeistert betrachtet hat, sieht Olli sich nach den fehlenden Teilen um. Das Badezimmer ist voller Spritzer, aber es ist kein einziges größeres Stück zu sehen. Wie ist das möglich? Wie kann ein ganzer Kopf verschwinden?
    Olli erinnert sich an das, was ihm beim Hereinkommen aufgefallen war, geht zurück in den Flur und bückt sich. Dreht das Fundstück behutsam um, betrachtet seine Ränder. Dann wirft er einen Blick in Richtung Haustür. Dort liegen weitere Bröckchen unterschiedlicher Größe. Eindeutig Schädelsplitter, über den ganzen Flur verstreut.
    Vollschaden. Offenbar kann eine aus nächster Nähe abgefeuerte Schrotflinte so etwas anrichten. Olli gehen einige Fragen durch den Kopf: Warum lief der Mann vorgestern in der Nacht mit seiner Schrotflinte draußen herum, liegt nun aber tot auf dem Boden seines Badezimmers? Wie fügt sich das zusammen? Und welche Munition kann eine derartige Zerstörung anrichten? Es muss sich um ein mindestens daumengroßes, kompaktes Bleigeschoss handeln, von der Art, mit der man große Tiere tötet.
    Olli kehrt an die Badezimmertür zurück und betrachtet die neben der Leiche liegende Waffe. Er hat recht gehabt: An diesem Fall ist etwas faul. Er versteht nicht viel von Waffen, aber diese hier kann keinen derartigen Schaden anrichten. Es handelt sich allem Anschein nach um ein Kleinkalibergewehr, in dessen Lauf gerade eine Strumpfnadel passt. Die Kugeln müssen winzig klein sein, sie können keinen Schädel in Stücke sprengen. Der Lauf ist offenbar abgesägt, der Kolben ebenfalls. Warum? Olli kann sich nur einen Grund vorstellen, eine lange Waffe zu verkürzen: um sie leichter verstecken und unter der Kleidung bei sich tragen zu können. Wie passt das zu einem Selbstmord? Überhaupt nicht.
    Was ist als Nächstes zu tun? Wieder kommen Olli die Ratschläge aus dem kriminaltechnischen
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