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Erfrorene Rosen

Erfrorene Rosen

Titel: Erfrorene Rosen
Autoren: Marko Kilpi
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gleichzeitig zu verarbeiten. Eine Bombe tickt, und dieser Mensch hält es für nötig, in dieser Situation um ein Darlehen zu bitten.
    Tossavainen räuspert sich. Hastig zückt Olli seine Brieftasche, in der zwei Fünfeuroscheine stecken. Sein letztes Geld, abgesehen von ein paar Cents auf seinem Konto.
    »Das reicht auch«, versetzt Tossavainen und reißt Olli die Banknoten aus der Hand.
    Verdattert schaut Olli zu, wie sein Geld in Tossavainens Brusttasche verschwindet, und denkt insgeheim über die Kennzeichen eines Raubes nach, die hier, wie er findet, eindeutig vorliegen.
    »Na dann, das war’s wohl. Eigentlich langweilig, immer recht zu behalten«, seufzt Tossavainen und schlurft zum Streifenwagen.
    Olli sieht auf die Uhr und stellt fest, dass der angekündigte Zeitpunkt bereits um zwei Minuten überschritten ist. Das Publikum seufzt erleichtert und zugleich enttäuscht auf. Olli gehört definitiv zu den Enttäuschten. Tossavainen hat ihm skrupellos die Klimax geraubt, die Spannung der letzten Sekunden, und sein Geld gleich dazu.
    Erbost folgt er Tossavainen und setzt sich auf den Beifahrersitz, denn als Praktikant ist er noch nicht befugt, ein Polizeifahrzeug zu steuern.
    »Bestell schon mal den Bestatter zu der Bude, dann sparen wir ein bisschen Zeit«, bittet Tossavainen und reicht Olli das Handy.
    Er sieht es verwundert an. Wird ihm hier die Chance serviert, die Sache in Ordnung zu bringen? Zumindest kann er vielleicht den weiteren Verlauf ein wenig hinauszögern, damit sich noch etwas machen lässt.
    »Die Nummer ist im Verzeichnis, unter B«, erklärt Tossavainen, da Olli tatenlos dasitzt.
    »Ähm«, beginnt Olli. »Müssten wir nicht vorher noch was tun?«
    »Zum Beispiel?«, erkundigt sich Tossavainen. »Was meinst du?«
    »Na ja, die Leiche untersuchen … nachsehen, ob die Leichenflecken der Position des Körpers entsprechen … die Temperatur messen«, zählt Olli zaghaft die Standardprozedur auf.
    Tossavainen sieht ihn leicht verwundert an. Olli weiß nicht, ob sein Blick verächtlich ist oder was sonst, positiv wirkt er jedenfalls nicht. Eine peinliche Situation.
    Doch dann lacht Tossavainen auf. »Natürlich können wir da noch weiter rumfuhrwerken«, sagt er und nimmt die Kurve so forsch, dass Olli gegen die Tür geworfen wird. »Aber eigentlich ist das überflüssig.«
    »Wieso?«
    »Der Typ liegt auf dem Boden, das Blut und der sonstige Mist waren schon getrocknet. Das entspricht der Stellung so weit, dass es überflüssig ist, die Flecken anzugaffen. Wir könnten die Rektaltemperatur messen, klar, aber wenn das Blut so trocken ist, entspricht die sowieso der Zimmertemperatur. Unnütze Arbeit.«
    »Aber …«
    »Einhundertzehn, Zentrale«, unterbricht der Polizeifunk das Gespräch.
    »Einhundertzehn hört«, schallt die Antwort der Streife aus dem Lautsprecher.
    »Einsatz drei-sechs-eins in der Käsityökatu dreißig Berta zwei«, meldet die Zentrale kurz und knapp.
    »Einhundertzehn verstanden. Wir haben uns gerade was zu essen geholt, es dauert also einen Moment.« Die Stimme des unbekannten Kollegen klingt leicht verlegen.
    »Roger«, quittiert die Zentrale.
    »Verdammt noch mal«, flucht Tossavainen. »Jetzt haben wir das auch noch am Hals.«
    »Was? Wieso?«
    »Wir sind gerade in der Käsityökatu. Die Wohnung ist da drüben«, erklärt Tossavainen und zeigt auf ein Haus vorn rechts. »Also bleibt uns nichts übrig, als die Sache zu erledigen. Wer am nächsten dran ist, übernimmt, verstehst du?«
    Olli kann es kaum fassen. Alles andere scheint wichtiger zu sein als die Leiche im Badezimmer. Was ist mit Priorisierung? Wo bleiben die technischen und taktischen Ermittler, die sie schon längst hätten anfordern müssen? Wo bleibt der gesunde Menschenverstand?
    Tossavainen hält vor dem Etagenhaus, stellt den Motor ab und meldet der Zentrale, dass sie bereits vor Ort sind. Dann sieht er Olli an. »Willst du der Vollzieher sein?«
    Olli ist überrascht. Der Gedanke, schon jetzt Verantwortung zu übernehmen, macht ihm beinahe Angst. Doch er reißt sich zusammen und erklärt sich bereit, eifrig wie ein Pfadfinder.
    »Worum geht es überhaupt?«, erkundigt er sich dann hastig.
    »Häuslicher Einsatz. Vermutlich dressiert da einer seine Frau.«
    »Aha.«
    Beim Aussteigen mustert Olli das Haus. Adrenalin schießt ihm ins Blut, seine Atemzüge werden tiefer, sein Organismus bereitet sich auf einen Kampf vor. Olli ist bereit. Der Kadavereinsatz, der ihm eben noch auf der Seele gelegen hat, ist
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