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Erfrorene Rosen

Erfrorene Rosen

Titel: Erfrorene Rosen
Autoren: Marko Kilpi
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Sieger gibt, sondern nur immer mehr Lärm. Und trotzdem hat er diesen Anfängerfehler gemacht. Tossavainens Aktion wurmt ihn. Das ist der blanke Neid, um ehrlich zu sein. Irgendwie hat er das Gefühl, dass er das Spiel gleich nach dem Anpfiff verloren hat. Eigentlich ist es ganz gleichgültig, was er von nun an sagt oder tut. Es geht ja sowieso den Bach hinunter.
    »Wie kriegt man mit so einer Waffe ein derartiges Gemetzel zustande?«, schnaubt er verdrossen, behält seine Zweifel nicht mehr für sich. »So eine winzige Kugel kann doch keinen Kopf zerschmettern.«
    »Gut beobachtet«, räumt Tossavainen ein und geht vor der Leiche in die Hocke. »Das kann sie tatsächlich nicht.«
    Olli zuckt zusammen. Woher dieser plötzliche Richtungswechsel?
    »Entscheidend ist, was sich im Patronenlager findet.«
    Tossavainen streckt den Oberkörper ins Bad und hebt die neben der Leiche liegende Waffe auf, hält den Lauf vorsichtshalber nach unten und drückt auf den Riegel vor dem Abzugbügel. Das kurze Magazin fällt in seine Hand. Er schaut hinein, es enthält noch vier Patronen. Dann zieht er vorsichtig den Verschluss auf. Das Patronenlager öffnet sich langsam, eine Hülse kommt zum Vorschein.
    »Okay, alles klaro«, sagt Tossavainen. »Wenn die Kugel noch im Lager gewesen wäre, würden wir das Haus jetzt auf Zehenspitzen verlassen und die Technik herzitieren.«
    Er fasst die Hülse an und zieht sie vorsichtig aus dem Patronenlager, damit der Verschlussmechanismus sie nicht auf den Boden wirft.
    »Beutel«, sagt er und blickt auf Ollis Ermittlungskoffer.
    Erst jetzt wird Olli klar, dass er sich mitten in einer echten Tatortuntersuchung befindet. Er stürzt sich geradezu auf den Koffer und wühlt darin herum. Tossavainen schnuppert an der Hülse und dem Patronenlager. Es riecht unverkennbar nach verbranntem Pulver.
    Olli hält ihm den Indizienbeutel hin, hat sogar daran gedacht, ihn schon zu öffnen. Tossavainen lässt die Hülse hineinfallen und legt die Waffe dicht an der Wand auf den Boden.
    »Guck dir mal die Hülse an. Fällt dir was auf?«, fragt er.
    Olli hält sich den Beutel vor die Augen und versucht, etwas Außergewöhnliches zu entdecken.
    »Im Verhältnis zur Kugel scheint sie ziemlich groß zu sein«, sagt er vorsichtig, da ihm sonst nichts auffällt.
    »Ganz richtig«, nickt Tossavainen zufrieden. »Das ist eine Vogelpatrone und die Waffe ist eine Vogelbüchse. Mit einer gewaltigen Ladung im Verhältnis zur Größe der Kugel. Die Mündungsgeschwindigkeit liegt bei tausend Metern pro Sekunde.«
    »Aber die Kugel ist trotzdem klein, egal wie schnell sie fliegt«, wendet Olli ein.
    »Stimmt. Aber es war nicht die Kugel, die den Kopf zertrümmert hat.«
    »Na, was denn dann?«, stöhnt Olli frustriert.
    »Der Druck.«
    »Der Druck?«
    »Aus den Spritzern können wir schließen, dass der Mann schon auf dem Boden lag, bevor er geschossen hat. Die Waffe hat er im Arm gehalten. Er hat den Kopf gehoben, den Lauf an die Stirn gepresst, abgedrückt und ist liegen geblieben, wo er war. Als sein Arm zur Seite fiel, ist die Waffe zu Boden gerutscht.«
    Tossavainen betrachtet das Gewehr und schaut dann an die gegenüberliegende Wand.
    »Da an der Wand sind Spritzer, hauptsächlich ganz oben, fast an der Decke. Hirnmasse ist auch dabei, siehst du die Klümpchen neben dem Lüftungsschacht?«
    Olli entdeckt ähnliche Klumpen wie den, der an der Tür entlang auf den Boden gerutscht ist und jetzt gleich neben seinem Fuß liegt.
    »Wenn man bei einer Waffe mit einer derartigen Ladung den Lauf an die Stirn setzt und abdrückt, dringt mit der Kugel gleichzeitig ein gewaltiger Druck in den Kopf ein«, erklärt Tossavainen den Mechanismus der Zerstörung. »Der Kopf ist ein geschlossener Raum, also kann der Druck nicht einfach verpuffen. Folglich wird zuerst der Inhalt durch das Einschussloch herausgepresst. Der ist da drüben an die Wand geflogen, neben den Lüftungsschacht. Anschließend ist dann der ganze Kopf zersplittert. An den Spritzern kann man haargenau ablesen, in welcher Position sich der Mann befand, als er abdrückte.«
    »Einen Moment lang ist hier also eine Menge Zeug durch die Luft gesaust«, meint Olli.
    »Stimmt. Wenn der Lauf auch nur ein paar Zentimeter vom Kopf entfernt gewesen wäre, hätte es nur ein kleines Loch in der Stirn gegeben und ein größeres am Hinterkopf. Ein Durchschuss wäre es auf jeden Fall geworden, bei der Anfangsgeschwindigkeit.«
    »Und wo ist die Kugel?«
    »Eine ausgezeichnete
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