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Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind
Autoren: Robert Holdstock
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Symbolen war, die das Volk des crog benutzte. Jetzt erst bemerkte sie die tiefen Wunden auf Brigedds Armen – gerade erst bega n nen sie zu heilen. Sie mußte schwer gekämpft haben. Als sie Elspeths prüfenden Blick sah, berührte sie vorsichtig ihren linken Arm. „Ein Duell“, erläuterte sie; „ich habe gewo n nen.“
    Das muß wohl so sein, dachte Elspeth, denn sie wußte, daß die Duelle der Aerani bis zum bitteren Ende gingen. Ihre Duellvo r schriften waren sehr kompliziert, ein Teil ihrer Kultur, den sie nicht völlig verstehen würde, solange sie das Gebiet hinter den Dünenwällen nicht betreten durfte.
    Doch Elspeth wollte auf das Einritzen der Symbole zu sprechen kommen. „Gewiß“, sagte sie bereitwillig, „ich h a be meine Pflic h ten noch nicht erfüllt. Wer zeigt es mir?“
    „Ich natürlich“, sagte Darren. Auch er wußte, wie es sie erregte, wenn sie bei der Ausführung der komplizierten Symbole zusah, mit denen die Kolonisten (war diese B e zeichnung übe r haupt noch angebracht?) jeden wichtigen Punkt ihres Lebens markie r ten. Wahrscheinlich wußte er auch, daß sie nicht so sehr an der Schwarzflüglerjagd inte r essiert war als daran, die Symbole selbst zu machen und sie sich von ihm erklären zu lassen. Heute würde ihr, wenn sie Glück hatte, ein kleiner Durchbruch zum Verstän d nis des Geschehens auf dieser Welt, dem Aeran, gelingen. Und he u te würde sie, wenn sie überhaupt Glück hatte, einen großen, wichtigen Schritt zum Verständnis eines Mysteriums tun, das seit über siebentausend Jahren Bestand hatte und eine rätselvolle A t traktion für Touristen war.
    Sie verband sich die Wunde am Knöchel, und dann liefen sie durch den schnell aufsteigenden Frühnebel bis zum Fluß. Hier kamen sie leichter voran und folgten dem verschlung e nen Wa s serlauf bis ans Ende des dichten, dschungelartigen Wa l des. Das Land stieg in einer Reihe rollender Hügel an und war mit Felsbrocken besät, tief durchschnitten von Flu ß tälern, die aus dem fernen Gebirge kamen und sich durch den Wald und die Ma r schen schlängelten.
    Hier auf den Hügeln, die mit einer tiefen weichen Lage von W e delfarnen bedeckt waren, lief es sich sehr bequem. Sie ve r ließen den Fluß und stiegen über den Rand des Tales, so daß sie über das silberne Band und bis zu den braungli t zernden Sümpfen hi n unterblicken konnten. Die Seen, die Schlammbecken, das unwir t liche Land zwischen dem crog und dem weiten salzigen Meer – dort hatte sich noch kein Aerani hingewagt, dort gab es fleisc h fressende Raubtiere und mensche n fressende Schlammlöcher. Dort am Rande des Sumpflandes wurden die Augen und Hände ehrlos gestorb e ner Aerani, deren Seelen nicht, wie es recht und billig war, vom Feuer verzehrt werden durften, der Verwesung a n heimgegeben. Und dort waren auch rechteckige Haufen au f geworfen, wie sonderbar geformte Gräber – doch diese Gr ä ber bewegten sich manchmal: Es waren auch keine Gräber, sondern riesige Raubtiere.
    „Hier entlang!“ rief Darren und führte die Gruppe vom Fluß hi n weg in die Wedel-Ebene hinein. Die Luft war scharf und kalt; der starke vom Gebirge her über die Hügel wehe n de Wind trug die mannigfachen Düfte des dichten Waldes mit sich. Elspeth, die tief atmete, fand diese Gerüche err e gend und sinnlich. Vom a n gestrengten Atmen war ihr schwindlig g e worden. Sie blieb einen Augenblick stehen und blickte über das grüne und tiefrote Laub, die pfei l schnellen Schlangenzu n gen, die hin und her schießenden Flugtiere …
    Hinter dem Wald erhob sich das Gebirge …
    In den Wolken verschwimmend, schneebedeckt, zerklü f tet und steil: die Berge. Sie warfen ihren Schatten über das Land, den Schatten des Schnees, der Erinnerungen an die Verga n genheit wachrief und eine Angst, die bis jetzt unter den Abzeichen ihrer Jungfrauenweihe verdeckt gelegen ha t te. Die Angst stieg wieder hoch – Schneesturm, Blut … Kä l te, tödlicher Frost, Eisnadeln …
    Die schreckliche Erinnerung trat zurück, doch die Panik blieb. Sie lief hinter Darren und den anderen her, und ein stummer Schrei hallte (stumm) durch ihr Hirn. Und die Be r ge sahen zu …
    Endlich kamen sie an einen großen festgetretenen Weg, der, etwas unter Bodenhöhe und von steilen Klippen fla n kiert, fast eine Meile lang war.
    An diesen Klippen hingen, leicht schaukelnd, Tausende ledriger fledermausähnlicher Tiere. Schwarzflügler.
    Laurian und Brigedd verschwanden; lautlos liefen sie über einen Felsgrat, um
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