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Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind
Autoren: Robert Holdstock
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sie die Wurzel ab; die Pflanze rol l te sich kurz ein und wieder auf, dann wickelte sie sich um ihren Arm.
    „Sie mag dich“, grinste Darren. Er schüttelte sein Haar zurück und blickte sich um. „Jetzt bin ich dran.“
    Er griff nach demselben Büschel, und sämtliche Stränge wicke l ten sich um ihn. Sanft löste er sich aus den Schlingen und zog den längsten Strang heraus. Die Pflanze bog und wand sich d a bei, ihre Bewegungen wurden immer schneller, seine Miene i m mer gespannter. Schließlich bewegte sich das Ta n gelkraut so schnell, daß Elspeth keine Einzelheiten mehr unte r scheiden konnte. „Paßt du auch auf, Steinfrau? Paßt du auch auf? Du mußt diese Kunst können, wenn du eine Schlinge m a chen willst.“ Es klang stolz. „Versuch es mal!“
    Das Kraut wand sich mit rasender Schnelligkeit in Elspeths Griff. Befriedigt nickte Darren. „Wenn du Glück hast, fängst du einen Schwarzflügler und bist noch heute abend im crog. Wenn das Kraut zugefaßt hat, darfst du auf keinen Fall losla s sen. Dann wird es gefährlich. Aber wenn der Schwarzflügler erst einmal in der Schlinge ist, dauert es nur ein paar Auge n blicke, dann steht sein Herz still. Du wirst schon sehen.“
    Moirs Lied war verklungen. Traurig heulte der Wind den Weg entlang.
    „Wann muß ich die Symbole ritzen? Jetzt?“
    Darren lachte auf. „Na schön. Komm, wir nehmen diesen glatten Stein da.“
    Er hockte sich vor einem Felsbrocken nieder, der direkt am Au s gang des festen Weges aus dem Moose wuchs, nahm sein Halsband ab und knüpfte das Kristallmesser los. Feie r lich überreichte er Elspeth die kostbare Waffe (sein Initiat i onsgeschenk bei der Aufnahme in den Kriegerstand). B e wundernd wog sie es in der Hand.
    Mit der Spitze kratzte sie vorsichtig das Karomuster ein, das die Kräfte im Felsen erweckte. Drei Rauten in einer Ke t te – das schien Darren für ausreichend zu halten. Er starrte den Felsblock an, als sähe er mehr als nur die Oberfläche, dann bedeutete er ihr, noch eine vierte Raute anzufügen.
    Sie ritzte den Felsen, doch die Linien wurden wellig und u n gleichmäßig, und ihre Hand zitterte so stark, daß sie kaum b e griff, was sie da tat …
    So hat der Mensch vor siebentausend Jahren die Steine in I r land geritzt … hatte das die gleiche Bedeutung wie jetzt?
    Zufrieden mit dem Opfer an die Erde nahm Darren sein Me s ser wieder und leckte den Staub von der Spitze. Das Messer war sein größter Stolz.
    „Was bedeuten sie?“ fragte Elspeth und berührte lächelnd i h re flachen Runen.
    „Du hast dich in den Wind gestellt. Durch die Rauten g e langt deine Jäger-Seele in den Felsblock und von da in die Erde und in den Wind. Im Wasser wäre es anders, und durch den Wald noch wieder anders. Der Felsen selbst ist der d i rekteste Opferweg. Jetzt möge dir die Erde deine Gabe ve r gelten, indem sie dir hilft, einen Schwarzflügler zu erw i schen.“
    Wirklich ganz einfach. Elspeth zog die Form der Runen nach. Wieder eine neue Rune für ihr Antworten-Buch. Sie verstand schon eine ganze Anzahl Symbole, und es wurden immer mehr; und so sehr viele Felsenrunen gab es auch gar nicht. Aber diese war die erste, die sie selber eingeritzt hatte! Es mochte etwas ganz Einfaches sein, aber für sie war es doch ein großer Schritt vorwärts.
    Sie beugte sich vor und küßte das Symbol, das sie eing e ritzt ha t te, und Darren grinste dazu. Dann rannte er zurück zum Schla f platz der Schwarzflügler, legte sich flach in das schwammige Moos und sah in den Spalt hinunter.
    „Ehe wir herkamen, haben wir unseren Seher um eine Vorauss a ge gebeten“, sagte Darren langsam. Interessiert blickte Elspeth ihn an.
    „Was hat er denn für eine Prophezeiung losgelassen?“
    „Gutes Jagdglück. Neues Tier“, erwiderte der junge Mann.
    Einen Augenblick schwieg sie, dann wandte sie sich um und betrachtete die Tiere, von denen sie vielleicht eins e r beuten würde. „Das ist das Dumme bei euren Orakeln – sie lassen keinen Raum zum Interpretieren. Also, wo ich he r komme, da gibt es ein Orakel …“
    Darren winkte ihr, zu schweigen. „Da ist dein Schwar z flügler.“
    Eins der ledrigen Flugtiere hatte sich aus seiner Schla f stellung herunterfallen lassen und war ein paar Meter den Weg hinunte r geklettert. Es rollte sich auf einem Felsblock zusa m men, wickelte sich in seine harthäutigen Schwingen und barg den kugeligen Kopf in den Hautfalten seines Ba u ches.
    „Ziele mit der Schlinge auf seine Beine.“
    „Ja,
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