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Erde

Erde

Titel: Erde
Autoren: David Brin
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Konsens zu diesem Thema abzuzeichnen. Aber was ist mit dem nächsten unvermeidlichen Dilemma… wenn junge Steuerzahler des nächsten Jahrhunderts feststellen, daß sie eine endlose gigantische Fürsorge bezahlen, die Millionen Achtzigjähriger verlangen, die ihnen an Zahl überlegen sind, sie bei Wahlen überstimmen und ihr ganzes Leben lang gewohnt waren, alles zu bekommen, was sie wollten?
    Was wird es in Zukunft überhaupt heißen, ›tot‹ zu sein? Manche sagen, es könnte bald möglich sein, lebende menschliche Körper bis fast zum Gefrieren (oder sogar noch tiefer) abzukühlen und die Lebensvorgänge anzuhalten, so daß Menschen zu einem späteren Termin wiederbelebt werden können. Nach primitiven Maßstäben ist das in Fällen extremer Hypothermie schon geschehen. In was für ein Wespennest man damit sticht, eröffnet erschreckende Aussichten. Und trotzdem antworten enthusiastische Verfechter dieses aufkommenden Feldes der ›Kryonik‹ auf moralische Einwände und die Fragen nach einer strengen Definition des Todes mit der Frage: »Warum binäre Gesetze für eine analoge Welt?« (Mit anderen Worten: Die meisten Moralcodes sagen ›entweder… oder‹ während das Weltall selbst statt dessen mit einer Menge von ›vielleicht‹ erfüllt ist.)
    Für manche scheint diese sich beschleunigende Überlagerung von Komplexität nicht mehr als ein natürlicher Teil unserer kulturellen Reifung zu sein. Andere finden die Aussicht, daß sich alle Gewißheit in einen Wirrwarr von Mehrdeutigkeit auflöst, erschreckend. Wären wir gezwungen, nur eine harte Vorhersage für das einundzwanzigste Jahrhundert zu machen, so wäre es die, daß wir nur die erste Welle dieser bestürzenden und bisweilen herzbrechenden Probleme erlebt haben.
    Werden wir diese Fragen frontal angehen? Oder uns wieder einmal in den Schutz uralter Trivialitäten flüchten? Dies wird meines Erachtens das zentrale moralische und intellektuelle Dilemma sein, das uns bevorsteht.
     
    Lassen Sie mich diese weitschweifige Tirade mit einer Bemerkung über das zentrale Thema dieses Buches schließen! In den letzten Jahren ist viel über die sogenannte Gaia-Hypothese gesprochen worden, die zwar James Lovelock zugeschrieben wird, aber tatsächlich eine moderne Geschichte hat, die bis in die 1780er Jahre und den schottischen Geologen James Hutton zurückreicht. In jüngster Zeit hat es Anzeichen von Kompromiß gegeben. Befürworter haben etwas zurückgesteckt von einem zu engen Vergleich des Planeten mit einem lebenden Organismus, während Kritiker wie Richard Dawkins und James Kirchner jetzt einräumen, daß die Debatte über Gaia der Ökologie und Biologie genützt und viele neue Wege der Forschung eröffnet hat.
    In diesem Roman stelle ich Gaia natürlich als mehr denn eine bloße Metapher dar. Einige meiner gelehrten Kollegen werden sicher den Kopf schütteln über meine dramatische Dürftigkeit und mich der ›Teleologie‹ und anderer Sünden zeihen. Aber meint nicht der angesehene Physiker llya Prigogine, daß die Ordnungsprozesse ›dissipativer Strukturen‹ fast unausweichlich zu steigenden Niveaus von Organisation führen? Der Cambridger Philosoph John Platt illustriert diese zunehmende Beschleunigung mit einem sprechenden Beispiel – der Fähigkeit des Lebens, sich einzukapseln.
    Es fing an mit Membranen, die die Chemie einer einzelnen Zelle umhüllten – vielleicht vor vier Milliarden Jahren. Lange Zeit waren Einzelzellen die Grenze, die in offener See trieben und sich verdoppelten. Aber dann, vor gerade vierhundert Millionen Jahren, erfolgte eine gewaltige Veränderung. Kreaturen fingen an, aufs Land umzuziehen, bedeckt mit starken Schuppen, Muschelschalen oder Rinde.
    In der letzten halben Million Jahre boten Bekleidung und künstliche Schutzräume die nächste Gelegenheit, welche die Menschen befähigte, ihren Bereich mächtig auszuweiten… was in dem jüngsten Abschnitt dieses Zeitraumes sogar bis zu hohe Bergen und arktischen Wüsten aufgebläht wurde. In den letzten paar Jahren haben wir schließlich gelernt, unser Klima mit uns zu führen in autarken verkapselten Milieus, um Weltraum und Meeresboden zu erforschen.
    In Wirklichkeit ist an dieser Beschleunigung nichts Mystisches oder Teleologisches. Jede Species baut auf der Folge mühsam errungener Techniken, die ihre Vorfahren angehäuft haben, und für uns ist dieser Prozeß nicht mehr rein genetisch. Unsere Kultur profitiert von Erkenntnissen, die von früheren Generationen langsam
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