Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erde

Erde

Titel: Erde
Autoren: David Brin
Vom Netzwerk:
seinem Arbeitszeug ab und fragte sich, warum er so nervös war. Schließlich hatte er schon früher an der Herstellung bizarrer Objekte mitgearbeitet. In seiner Jugend am CERN war es ein Zoo subatomarer Partikel gewesen, die aus sengender Hitze am Target einer großen Beschleunigungsmaschine herauskamen. Selbst in jenen Tagen besagten die Namen, welche Physiker den von ihnen untersuchten Teilchen gaben, mehr über deren Persönlichkeiten aus als über die Dinge, die sie verfolgten.
    Er erinnerte sich an Graffiti an der Wand der Herrentoilette in Genf.
    Frage: Was bekommst du, wenn du ein rotes Quarkteilchen mit Charme mit einem Seltsamen vermischst, das grün ist und einem dritten, das echt blau ist?
    Darunter waren Antworten gekritzelt von verschiedenen Händen und in ebenso vielen Sprachen:
    Ich weiß es nicht, aber um sie beisammenzuhalten, wirst du ein Gluon mit Richtung brauchen!
    Klingt wie das, was sie uns heute in der Cafeteria vorgesetzt haben.
    Kennt hier übrigens jemand das Aroma von Schönheit?
    Hängt es nicht davon ab, wer oben und wer unten ist?
    Ich kriege ein Hadron, wenn ich bloß daran denke.
    He! Welches Boson hat sich eigentlich diese Frage ausgedacht?
    Na ja. Da gibt es einen Burschen, der ein Lepton sein sollte!
     
    Stan lächelte in der Erinnerung an gute alte Zeiten. In jenen Tagen waren sie Jäger gewesen, er und die anderen, die Exemplare schwer faßbarer mikroskopischer Species fingen und den Zoo der Quarks erweiterten, bis eine ›Theorie von allem‹ aufzutauchen begann. Gravitonen und Gravitinos, magnetische Monopole und Photinas. Mit der Vereinigung kam die Macht zu mischen und anzupassen und die Unschärfe der Natur zu nutzen.
    Indessen hatte Stan nie davon geträumt, eines Tages mit Singularitäten – Schwarzen Mikrolöchern – zu spielen und sie als Schaltelemente in der gleichen fröhlichen Weise zu verwenden, wie ein Ingenieur Induktivitäten und Widerstände verbindet. Aber junge Burschen wie Alex schienen das alles im Galopp zu nehmen.
    »Stan, drei Minuten!«
    »Ich kann eine Uhr ablesen!« rief er zurück und bemühte sich, gereizter zu klingen, als er wirklich war. In Wahrheit hatte er die Zeit tatsächlich nicht mehr verfolgt. Sein Geist schien sich tangential zu diesem Strom zu bewegen… nahezu, aber nicht ganz parallel zum Ereigniskegel der objektiven Welt.
    Man sagt uns, daß Subjektivität, jener alte Feind der Wissenschaft, auf Quantenniveau ihr Verbündeter wird. Manche sagen, nur die Anwesenheit des Beobachters lasse die Wahrscheinlichkeitswelle zusammenbrechen. Es ist der Beobachter, der letztlich den Sturz eines Elektrons aus seiner Schale bemerkt wie ein Sperling im Walde. Ohne Beobachter ist nicht nur ein fallender Baum ohne Geräusch… ist das ein Konzept ohne Sinn.
    In letzter Zeit hat sich Stan immer mehr darüber gewundert. Die Natur schien sich bis hinab zu ihrem tiefsten Quark aufzuführen wie für ein Publikum. Auseinandersetzungen tobten zwischen den Verfechtern des starken und des schwachen anthropischen Prinzips oder darüber, ob das Universum Beobachter erfordere oder diese ihm nur angenehm seien. Aber heute räumte jeder ein, daß ein Publikum wichtig wäre.
    Soviel also über die Debatte darüber, was Newton sagen würde, wenn man ihn aus seiner Zeit in die Gegenwart entrückt hätte. Seine Uhrwerkwelt war Stan so fremd wie die eines primitiven Schamanen. Tatsächlich hatte der Schamane Oberhand gegenüber dem alten pedantischen Isaac. Zumindest würde der Schamane nach Stans Meinung wohl bei einer Party eine bessere Gesellschaft sein.
    »Eine Minute. Halt dein Auge auf…«
    Alexens Stimme brach jäh ab, als automatische Zeitschalter die Schutztüren zischend zuschlugen. Stan schüttelte sich, holte seine Gedanken zurück und bemühte sich ernsthaft um Konzentration. Es wäre anders gewesen, wenn er etwas zu tun gehabt hätte. Aber die Zeitfolge war für alles festgelegt, sogar für die Datengewinnung. Später könnten sie über dem allen grübeln und diskutieren. Aber vorerst brauchte er nur zu beobachten…
    Er fragte sich, wer vor dem Menschen diese Rolle für das Universum gespielt haben könnte.
    Es scheint keine Vorschrift zu geben, wonach der Beobachter bei Bewußtsein sein muß. Also hätten auch Tiere dazu gedient haben können, ohne Ichbewußtsein. Und auf anderen Welten hätte es Kreaturen geben können, lange, ehe Leben die Meere der Erde erfüllte. Es ist nicht notwendig, daß jedes Ereignis, jeder Bergsturz, jedes Lichtquant
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher