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Erde

Erde

Titel: Erde
Autoren: David Brin
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hängt mir die derzeitige Mode zum Halse heraus, wonach das Morgen durch japanischen wirtschaftlichen Imperialismus beherrscht sein würde. Erinnert sich niemand daran, als es so aussah, die Araber würden bald alles besitzen? Davor haben Europäer ihren Unmut über die Dynamik des amerikanischen Imperialismus geäußert. Man hüte sich vor Vermutungen, die während einer Dekade auf der Hand zu liegen scheinen! Sie könnten in der nächsten schon überholt sein und komisch wirken.
    Noch schwieriger als globale Politik ist vielleicht, das tägliche Leben vorherzusagen. Eine Krise, die ich drohen sehe, hat mit der unangenehmen Lage der Frauen zu tun, die weit über Dinge hinauszugehen scheint, die heute von Feministinnen angesprochen werden. Gleichheit vor dem Gesetz und am Arbeitsplatz müssen natürlich erreicht werden. (Und in vielen Teilen der Welt hat dieser Kampf kaum erst begonnen.) Aber eine zunehmende Sorge für Frauen im Westen ist ein Problem, über das ich fast nie alle jene studierten Theoretiker in mit Efeu geschmückten Sälen sprechen höre. Es handelt sich um den Verfall von Ehe und Familie als zuverlässiger Lebensform. Das ist ein so schwieriges – und für einen männlichen Autor so gefährliches – Thema, daß ich fürchte, es ist in diesem Roman zu kurz gekommen, obwohl ich glaube, daß es in den kommenden Dekaden einen Höhepunkt erreichen wird.
    Vielleicht bin ich mit dem Generationssprung besser zurechtgekommen. Anders als Verfasser sogenannter ›Cyberpunk‹-Geschichten finde ich es nicht plausibel, daß undisziplinierte, von Hormonen durchtränkte und asoziale junge Männer Jahrtausende der Fixierung auf Muskelprotzen vergessen und statt dessen im nächsten Jahrhundert HighTech beherrschen werden. Ich habe dies ungleiche Klischee verworfen und dafür einigen Spaß daran gehabt, daß die Nachkommen tragbarer Videokameras von ältlichen Wachkomitees als Waffen benutzt werden könnten. Die Demographie in Ländern wie den Vereinigten Staaten, Japan und China scheint auf eine Periode hinzuweisen, die schon jetzt manche als ›Imperium der Alten‹ bezeichnen.
    Inzwischen beträgt in Kenia das Durchschnittsalter gerade fünfzehn, und die Geburtenrate schießt in die Höhe.
     
    Für einige Ansichten bin ich anderen Autoren verpflichtet. Ich habe schon John Brunner genannt, dessen preisgekrönter Roman Morgenwelt zu den besten Science Fiction-Romanen gehörte, die fünfzig Jahre vorausblicken. Ebenso war das Werk Aldous Huxleys inspirierend.
    Die Idee einer menschlichen »kulturellen Singularität«, in der unsere Macht und Wissen sich so schnell beschleunigen könnten, daß das Tempo in Monaten, Wochen und Tagen exponentiell zunimmt – wobei alle laufenden Probleme im Nu akademisch werden –, gärt schon seit einiger Zeit, wurde aber besonders geschildert in Vernor Vinges Gestrandet in der Realzeit. Der Gedanke einer Todesstrafe durch ›Demontage‹ stammt aus Romanen von Larry Niven.
    Viele Autoren seit de Chardin haben über die Schaffung von einer Art ›Übergeist‹ geschrieben, in den sich das menschliche Bewußtsein eines Tages entweder entwickeln oder einbringen könnte. Traditionsgemäß wird dies als eine einfache Wahl dargestellt zwischen hartnäckigem Individualismus einerseits oder Homogenisierung und Absorption andererseits. Ich habe diese Dichotomie von entweder-oder als zu primitiv vereinfachend gefunden und versucht, hier einen anderen Gesichtspunkt vorzustellen. Aber das Grundkonzept geht jedenfalls sehr weit zurück.
    Die Idee, eine Raumfähre zu schildern, die auf der Osterinsel Bruch gemacht hat, wurde durch eine Science Fiction-Ge-schichte ›Shuttle Dawn‹ von Lee Carrey angeregt, die vor zehn Jahren im Magazin ›Analog‹ erschienen ist.
    Entsprechend wurde viel von der Diskussion über menschliches Bewußtsein durch Aufsätze in angesehenen neurologischen Zeitschriften inspiriert oder von innovativen Denkern übernommen wie Marvin Minsky, Stanley Ornstein und sogar Julian Jaynes, dessen berühmtes Buch über den Ursprung des Bewußtseins auch einen guten Science Fiction-Roman abgegeben hätte.
    Den Helvetischen Krieg kann ich aber andererseits niemandem außer mir selbst in die Schuhe schieben. (Ich erwarte, daß mir das nicht wenig Ärger eintragen wird.) Immerhin brauchte ich für dies Buch einen finsteren traumatischen Konflikt, der in der Vergangenheit meiner Charaktere nachhallte – wie Vietnam, der Zweite Weltkrieg und der Holocaust die heutigen Leute noch in
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