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Epicordia

Epicordia

Titel: Epicordia
Autoren: Thilo Corzilius
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Stereoanlage.
    Â»Hallo Leute!«, rief ein
junger Mann mit halblangem, feuerrotem Haar ihnen von
jenseits der Ladentheke zu, ohne den Blick zu heben. Stattdessen starrte er
angestrengt auf etwas, das vor ihm und somit hinter der Registrierkasse lag.
Angesichts des etwas irren Blicks, den er dabei aufsetzte, schien es kaum
verwunderlich, dass sich in dem kleinen Laden keine Kundschaft befand.
    Tom war mit drei langen Schritten bei der Anlage und
drehte sie auf eine erträgliche Lautstärke herunter, was den jungen Kerl
aufblicken ließ.
    Â»Hey«, protestierte er.
    Â»Hallo Lee«, begrüßte Robert Garbow den Rotschopf
schnell, bevor Tom sich in irgendeiner Weise über die Musik zu äußern imstande
war.
    Â»Hallo Robert.«
    Lees Blick wanderte zu Lara, musterte sie vorsichtig.
    Â»Hi«, sagte er schließlich. »Wie geht’s dir?«
    Sie zuckte mit den Schultern und ließ sich erschöpft
auf einen Stuhl sinken.
    Â»Geht so«, gestand sie. »War nicht so schön, wieder in
Highgate zu sein.«
    Einige betretene Sekunden lang wusste niemand etwas zu
sagen.
    Â»Was haltet ihr von Tee?«,
schlug Robert schließlich vor und
versuchte, die möglichst beste Miene zum miesen Tag zu machen.
Doch ihm war anzusehen, dass auch ihn das Begräbnis mitgenommen hatte.
    Einst war er ein guter Freund von Laras Eltern gewesen
und hatte auch ihre Großeltern gekannt. So oft hatte er ein offenes Ohr für
Lara gehabt. Sie vermutete, dass er darin selbst etwas Trost fand. Schließlich
hatte er Laras Eltern sehr viel besser gekannt als Lara selbst. Und es war gut,
Robert und all die anderen um sich zu wissen.
    Â»Eine gute Idee«, ging Henry McLane auf den Vorschlag
ein und Tom verschwand sogleich wortlos in der kleinen Küche im hinteren Teil
des Ladens.
    Lara wusste, was sie vorhatten. Sie gedachten, die
trübe Laune zu überspielen.
    Lee jedoch zog seine
Lederjacke über Flanellhemd und Cordhose an und versuchte,
sich zu verabschieden.
    Â»Ich bin dann weg«, rief er hinter Tom her.
    Â»Vielen Dank fürs Aufpassen«, tönte es aus der
Teeküche zurück, etwas leise, aber doch vernehmbar.
    Lee ließ etwas, das aussah wie eine Glaskugel, von der
Ladentheke in seine Tasche gleiten und zog seinerseits einen Schlüsselbund aus
der Tasche, der jedoch bedeutend kleiner als diejenigen von Tom oder Lara war.
    Â»Warte!«
    Lara war aufgesprungen.
    Â»Ich komme mit. Ich … ich muss ein wenig auf andere
Gedanken kommen.«
    Unsicher blickte Lee zu Henry und Robert, die bereits
Tisch und Stühle verrückt hatten.
    Â»Geht ruhig«, sagte der rundliche Priester. »Ist
wahrscheinlich ganz gut so, nicht mit uns hier rumzuhängen. So ein
Leichenschmaus ist auch nicht immer lustig.«
    Â»Wie ihr meint«, murmelte
Lee, zog die Tür zum hinteren Ladenteil zu, steckte einen Schlüssel hinein und
schloss auf. Die Gasse, die nun auf der anderen Seite der Tür lag, hätte einem
mittelalterlichen Film entsprungen sein können. Lee schlüpfte hindurch. Lara
folgte ihm und zog hinter sich zu.

    Einen Moment später öffnete sich die Tür
wieder und Tom trat von der anderen Seite hindurch, ein Tablett mit frisch
aufgebrühtem Tee und Keksen auf einer Hand balancierend.
    Â»Sind sie etwa hier durch?«, fragte er leicht
irritiert.
    Â»Genau da«, bestätigte Robert ihm mit einem
unterschwelligen Grinsen.
    Â»Verrückt«, Tom schüttelte
den Kopf. »Dieser Junge ist einfach verrückt. Der saugt Ravinia mit jeder Faser
seines Körpers auf. Ich wäre in dem Alter nie auf die Idee gekommen, mal eben
so eine Tür zu benutzen, durch die gleich wieder jemand zurückkommt.«
    Â»Wärst du doch«, entgegnete Robert und ließ das
Grinsen weiter anschwellen. »Du warst genauso … verrückt ,
wenn du es so nennen willst.«
    Tom seufzte.
    Â»Möglich, wenn ich recht drüber nachdenke«, überlegte
Tom laut. »Aber es ist soviel passiert seitdem.«
    Â»Ach«, winkte Robert ab. »Nun hör aber auf. Du redest
wie ein Rentner, dabei bist du noch gleich wie alt?«
    Â»Fünfunddreißig.«
    Â»Siehst du?«
    Â»Trotzdem ist eine Menge passiert«, beharrte Tom.
    Â»Schicksal?«, erkundigte
sich Robert, wohl wissend um den Phrasengebrauch des
Schlüsselmachermeisters.
    Â»Ja«, antwortete Tom ihm und stellte das Tablett ab.
»Jede Menge Schicksal ist
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