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Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Titel: Enwor 5 - Das schwarze Schiff
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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lange zusammengewesen.
    Er schenkte Helth einen letzten, bösen Blick, wandte sich mit einem Ruck um und ging mit weit ausgreifenden Schritten auf die Tür zu.

D er Gang war fensterlos niedrig, wie alle Räume an Bord der SHAROKAAN, und führte durch die volle Länge des Schiffes bis zum Bug hin. Der Boden war hier nicht massiv wie in der Mannschaftskabine, sondern bestand lediglich aus einem grob zusammengenagelten Lattenrost, der unter seinen Schritten federte und unter dem das faulige Wasser der Bilge sichtbar wurde. An den Wänden waren Flecken hellgrauen Schmierpilzes gewachsen, und das Dröhnen der Brecher, die monoton gegen den Rumpf schlugen, klang hier unten wie ein dumpfer, nie aufhörender Trommelwirbel. Skars Unwohlsein schien sich zu verstärken, als er den Gang betrat. Die Enge vermittelte ihm den Eindruck, eingesperrt zu sein. Er fragte sich unwillkürlich, warum jemand, der ein Schiff konstruierte und baute, auf diese Winzigkeit verzichten mußte. Die SHAROKAAN war ein großes Schiff — es hätte ihrem Stauraum kaum Abbruch getan, die Decken einen Fuß höher und die Wände ein paar Zoll weiter auseinander anzubringen, so daß man nicht ständig das Gefühl haben mußte, lebendig begraben zu sein. Aber Seefahrer waren ohnehin ein Volk für sich, das er wahrscheinlich nie verstehen würde. Der Gang wurde so gut wie nie benutzt — das Deck der SHAROKAAN war nicht so massiv, wie es einem Außenstehenden erscheinen mochte, sondern bestand im Grunde nur aus einem Balkengerüst, auf das einzelne Platten wie übergroße Dachpfannen aufgelegt waren, so daß jeder Punkt der Laderäume bequem von oben erreicht werden konnte, und Del und er waren vielleicht seit Jahren die ersten, die regelmäßig hier herunterkamen. Auf dem Boden lag der Staub von Jahrzehnten, von Nässe und Fäulnis zu einer schmierigen Schicht zusammengebacken, in der seine Schritte saugende Geräusche verursachten und die ihn festzuhalten versuchte, so daß er ständig glaubte, gegen einen unsichtbaren Widerstand ankämpfen zu müssen.
    Skar fröstelte, senkte den Kopf ein wenig und ging schneller. Die Kälte war hier unangenehmer als hinten in der Kabine — nicht schlimmer, aber direkter und aufdringlicher, als hätte sie ihm aufgelauert, um hier, wo er allein und nicht in der Gesellschaft anderer war, mit ganzer Kraft über ihn herzufallen.
    Er erreichte das Ende des Ganges, schob den Riegel zurück und betrat die dahinterliegende Kammer. Sie maß kaum drei Schritte im Quadrat und wurde auf der gegenüberliegenden Seite von einem mannshohen, aus fingerdicken Stangen von eisenhartem altem Eichenholz gefertigten Gitter abgeschlossen. Sorgsam zog er die Tür hinter sich wieder zu, ehe er sich umdrehte und den wuchtigen Schlüssel von der Wand nahm. Er war so alt und grob wie dieses Schiff und hing offen an einem krummgeschlagenen Nagel, aber doch so weit vom hinteren Teil der Kammer entfernt, daß keiner, der seinen Arm durch die Gittertür zwängte, ihn erreichen konnte.
    Skar steckte den Schlüssel ins Schloß, drehte ihn halb herum und zögerte einen Herzschlag lang. Sein Blick glitt mit einem Mißtrauen, das so unbegründet wie unbewußt war, durch den winzigen, nur schwach erhellten Raum auf der anderen Seite des Gitters.
    Er war nur wenig größer als dieser Teil der Kammer, in der er sich jetzt noch befand, und auf schwer in Worte zu fassende Weise düster. Wenn er jemals einen Ort gesehen hatte, auf den das Wort Kerkeratmosphäre zutraf, dann war es dieser winzige Verschlag im Bug der SHAROKAAN. Die Wände zogen sich im vorderen Teil der Kammer, der Krümmung des Schiffsrumpfes folgend, zusammen und schienen seine Insassen erdrücken zu wollen, und wenn der Boden auch hier, anders als hinten im Gang, massiv war, so glaubte er die lauernde kalte Tiefe darunter doch zu spüren.
    Del lehnte mit geschlossenen Augen an der Wand und schlief; wie meistens, wenn er herkam, und auch Vela hatte sich auf dem niedrigen, mit Stroh und Decken gepolsterten Lager ausgestreckt und das Gesicht in der Armbeuge vergraben. Die dünne Kette, die ihr linkes Handgelenk mit dem wuchtigen Eisenring in der Wand verband, glitzerte wie eine silberne Schlange auf dem mattgrauen Stoff ihres Gewandes, dessen zerschlissene Seide mit dem schmutzigen Braun der Wände zu verschmelzen schien, als hätte das Schiff bereits angefangen, sie aufzusaugen. Skar drehte den Schlüssel vollends herum und warf sich leicht mit der Schulter gegen das Gitter, um es in den
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