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Enwor 3 - Das tote Land

Enwor 3 - Das tote Land

Titel: Enwor 3 - Das tote Land
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gebrochenen Rippen schmerzten unerträglich, aber der Druck hinter seiner Stirn war verschwunden.
    War es so leicht?
dachte er erschrocken. Hatte er deshalb all die Tage und Wochen der Angst durchgestanden — wegen einer Nacht Fieber und Alpträume? Aber noch während er diesen Gedanken dachte, spürte er bereits, wie das Gift schon wieder mit dünnen, knochigen Fingern bei ihm anklopfte. Es war noch lange nicht vorbei, hatte vielleicht noch nicht einmal richtig begonnen. Alles, was er gewonnen hatte, war eine kurze Erholungspause, ein Moment der Ruhe, nach dem das Gift neu und vielleicht stärker zuschlagen würde.
    Er setzte sich auf, sah sich um und stemmte sich umständlich auf Hände und Knie hoch. Der Schlaf hatte ihn nicht erfrischt, sondern ihn im Gegenteil Kraft gekostet; er spürte es, als er vollends aufstand. Seine Hände zitterten, und seine Beine schienen das Gewicht seines Körpers kaum tragen zu können. Sekundenlang blieb er reglos stehen, hielt sich mit beiden Händen am rissigen schwarzen Glas der Kraterwand fest und wartete, bis das Schwindelgefühl schwächer wurde.
    Trotzdem liefen seine Gedanken mit seltener Klarheit ab. Er sah alles um sich herum wie auf einem Bild, auf dem ein geschickter Maler die wichtigen Details hervorgehoben und alles andere nur mit knappen Strichen angedeutet hatte, ohne daß der Unterschied bewußt ins Auge fiel. Der Krater war von flachen schwarzen Schatten erfüllt, dazwischen Grau und glänzendes schwarzes Glas in allen nur denkbaren Schattierungen, durchwoben mit dem flackernden blutigen Feuerschein der brennenden Stadt. Er führ sich mit der Hand über die Augen, verzog das Gesicht, als er mit einer ungeschickten Bewegung sein gebrochenes Nasenbein berührte und ein scharfer Schmerz wie die Klinge eines schmalen Silberdolches zwischen seine Augen fuhr, und ging unsicher zu den beiden Sumpfmännern hinüber. Sie hatten sich nicht gerührt, die ganze Zeit nicht, seit er aufgewacht war, und vielleicht standen sie schon seit Stunden so da: reglos, zwei kleine, graugekleidete Statuen, die Schattengesichter einander zugewandt, als würden sie miteinander reden. Irgendwo wieherte ein Pferd, es war ein Laut, der seltsam verloren klang und die Leblosigkeit der Ebene, die sie umgab, betonte, und für einen kurzen Moment drang der Geruch von gebratenem Fleisch durch den Nebel aus Schwäche und Übelkeit, der Skars Sinne umgab.
    Einer der beiden El-tra wandte den Kopf, als Skar näher kam.
    »Du bist wach.« Frage, Feststellung, aber auch Ausdruck von Besorgnis, alles schien in diesen drei Worten enthalten zu sein. Die Schattenmänner sprachen selten, und wenn, dann drückten sie selbst dieses wenige mit sparsamen, knappen Worten aus. Und doch vermochten sie mit einem Satz mehr zu sagen, als so mancher, den Skar kannte, in einer stundenlangen Rede.
    Er nickte, blieb eine Armlänge vor den beiden Sumpfbewohnern stehen und hob erneut die Hand an den Kopf. »Wie lange ... habe ich geschlafen?« fragte er stockend. Der Klang seiner eigenen Stimme versetzte ihn in Schrecken. Er war heiser, und das Sprechen bereitete ihm Mühe. Er mußte geschrien haben.
    »Den ganzen Tag und die halbe Nacht«, antwortete El-tra, einer der beiden El-tra, ohne daß Skar — obgleich er kaum einen Meter vor ihnen stand — feststellen konnte, welcher.
    »Was ist mit Gowenna?«: fragte er. Sein Blick glitt an den beiden Schattenmännern vorbei dorthin, wo Gowenna lag, aber er konnte nicht mehr als einen dunklen Umriß vor dem schimmernden Lavaglas der Wand erkennen.
    El-tra hob hastig den Arm und hielt ihn zurück, als er zu ihr hinübergehen wollte. Skar konnte die winzigen feuchten Schuppen seiner Haut fühlen, obwohl die Hand nicht mehr als ein wirbelnder Schatten war. Ein Gefühl nach Feuchtigkeit und Sumpf durchströmte ihn.
    »Laß sie«, bat El-tra. »Sie ist wach, aber sie ...« Zum ersten Mal, seit Skar die Sumpfmänner kennengelernt hatte, erlebte er, daß einer von ihnen spürbar nach den richtigen Worten suchte, und die Erkenntnis erschreckte ihn mehr als alles andere. »Sie will dich nicht sehen«, sagte der Sumpfmann schließlich. »Weder dich noch einen von uns. Bist du hungrig?«
    »Ja.«
    »Dann komm. Wir haben Fleisch und Früchte.«
    Einer der Schattenmänner geleitete ihn zum westlichen Ende des Kraters, während der andere stumm und ohne die geringste Regung dort stehenblieb, wo er war. Skar spürte wieder die Kälte. Der Sturm raste heulend über den steinernen Krater hinweg,
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