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Enwor 3 - Das tote Land

Enwor 3 - Das tote Land

Titel: Enwor 3 - Das tote Land
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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seiner Würde als Satai, verliehen in einer Zeremonie, die zu lange zurücklag, als daß die Zeit, die seither vergangen war, noch mehr als ein abstrakter Begriff hätte sein können. Es war kein Stück toten, gehämmerten Metalls, wie die Waffen, die Gowenna und die Sumpfmänner an ihren Seiten trugen, sondern ein Ding mit einer Persönlichkeit und einem Charakter. Er dachte an das, was Gowenna über das Schwert gesagt hatte, daß es nichts als ein Ausdruck übersteigerter Männlichkeit, eine Art Ersatzgott sein sollte, aber das stimmte nicht. Die Waffe gehörte zu ihm, und die dünnen, silbernen Linien der Gravur auf ihrer Klinge waren ihm so vertraut wie die Linien in seinem Gesicht, der verschlungene fünfzackige Stern auf ihrem Griff war so wenig von ihm wegzudenken wie die Narbe auf seiner Wange. »Warum wehrst du dich dagegen?« fragte El-tra plötzlich.
    Skar sah auf. Der Sturm trug Schnee in dünnen, wirbelnden Schleiern über den Krater, und eine einzelne Flocke löste sich aus seinem brüllenden Griff und sank lautlos auf die Klinge des
Tschekal
herab, als hätte sie im letzten Moment ihren Kurs gewechselt, um den züngelnden Flammen, die darunter auf sie warteten, zu entgehen. Skar hob die Hand, um sie fortzuwischen, führte die Bewegung aber nicht zu Ende, sondern legte die Klinge behutsam neben sich auf den Boden, weit genug vom Feuer entfernt, daß seine Hitze die Schneeflocke nicht erreichen konnte. »Wogegen?« fragte er nach einer Weile. Unnötig, ein dummes Spiel mit Worten, um das, was er im Grunde längst wußte, noch einmal hinauszuzögern, und sei es nur um wenige Sekunden.
    El-tra lächelte. Er sah es nicht, aber er spürte es durch die wirbelnden Schleier unter seiner Kapuze hindurch.
    »Gegen das, was diese Klinge bedeutet«, sagte der Sumpfmann geduldig. »Del.«
    Skar zuckte beim Klang des Namens sichtlich zusammen. Für einen winzigen Moment erschien das Bild des hünenhaften, dunkelhaarigen Satai vor seinen Augen, aber nur, um sofort von einer anderen, schrecklicheren Vision abgelöst zu werden. Del mit einem scharzen Visier, gepanzert von schwarzem Leder und an dünnen, unsichtbaren Fäden hängend, deren Bewegungen ein graues Gespenst bestimmte.
    Natürlich war Del der schwarze Satai. Er hatte es sofort gewußt, im allerersten Moment, in dem sie sich gegenüberstanden, aber etwas in ihm hatte sich geweigert, dieses Wissen als Wahrheit anzuerkennen. Er hatte den Gedanken von sich geschoben, ihn irgendwo tief in sich vergraben, aber jetzt, als die unmittelbare Gefahr vorüber war, kam er mit Macht zurück.
    »Warum wehrt ihr euch gegen das Wissen, betrogen worden zu sein?« gab er statt einer direkten Antwort zurück.
    »Wir wurden nicht betrogen, Satai«, antwortete El-tra. »Wir dienen Gowenna, doch wir sind nicht mehr als Werkzeuge.
    Kannst du dein Schwert betrügen?«
    Skar schüttelte den Kopf und griff wieder nach einem Stück Fleisch, diesmal jedoch nicht aus Hunger, sondern allein, um seine Hände zu beschäftigen. »Eine seltsame Philosophie«, murmelte er.
    »Nicht seltsamer als die deine, Satai. Versuche nicht, uns zu verstehen. Wir sind hier. Das genügt.«
    Skar seufzte. Vielleicht sollte er wirklich nicht versuchen, diese beiden Wesen, die nicht einmal Menschen waren, zu verstehen, aber es irritierte ihn, in Begleitung zweier Männer zu sein, deren Reaktionen er noch nicht einmal zu erraten vermochte.
    »Erzähl mir von Gowenna«, bat er nach einer Weile.
    El-tra sah auf und blickte an ihm vorbei dorthin, wo Gowenna in der Dunkelheit lag, als müsse er erst mit einem stummen Blick um Erlaubnis fragen. »Es gibt nichts, was du wissen müßtest und nicht bereits weißt«, sagte er schließlich. »Wir sind hier, wir dienen ihr, das ist alles.«
    »Und Vela?«
    »Sie ist eine Fremde für uns, wie du es warst und wie Del es noch ist.«
    Skar entging die Einschränkung in El-tras Worten keineswegs, aber er fragte nicht, was sie zu bedeuten hatte. El-tra würde sowieso — wenn überhaupt — nur mit einem neuen Rätsel antworten. Das kurze Gespräch, das Skar am Vorabend des Kampfes mit ihm
    - oder seinem Bruder — geführt hatte, war das einzige Zeichen von Vertrauen gewesen, das ihm die Sumpfmänner entgegengebracht hatten, und er spürte, daß der nächste Schritt von ihm ausgehen mußte. Aber er wußte nicht einmal, wie er auszusehen hatte. Schließlich stand er auf und ging — eigentlich ziellos — ein paar Schritte. Die Kälte griff mit dünnen, klammen Fingern nach
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