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Enwor 3 - Das tote Land

Enwor 3 - Das tote Land

Titel: Enwor 3 - Das tote Land
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schien Schweigen mitzuklingen, eine stumme, unhörbare und gleichzeitig unüberhörbare Drohung, nicht weiterzugehen, sondern umzudrehen und davonzureiten, so schnell er konnte. Aber er ritt weiter, zwang sich, jeden einzelnen Toten genau anzusehen und die dumpfe, quälende Angst zu ertragen. Schließlich tauchte ein gewaltiger grauer Schatten vor ihm auf, massig und groß wie ein Teil der Berge, durch einen bizarren Zauber hierherversetzt. Skar wußte, was es war, noch bevor er näher kam und aus dem Schatten ein Körper wurde, aus grauer Undeutlichkeit schuppige Platten und ein ungeheurer, borkiger Schlangenhals herauswuchsen, unmöglich verdreht und mehrfach gebrochen. Das Feuer in den tük-kischen roten Augen der Bestie war erloschen, die meisten ihrer handlangen, einwärts gekrümmten Reißzähne abgebrochen, zersplittert, als hätte sie versucht, auf Stahl zu beißen.
    Skar ritt bis auf wenige Schritte an den gefallenen Koloß heran.
    Es gab hier keinen Schnee mehr. Der Boden war zerwühlt, ein Krater, aufgeworfen und verbrannt vom Säureatem der Bestie, zerfetzt vom Toben der ungeheuren Krallen, mit denen sie im Todeskampf um sich geschlagen hatte, blindwütig alles zermalmend, was in ihre Reichweite kam, selbst jetzt roch die Luft noch so durchdringend nach dem ätzenden Staub, daß Skar nur mühsam atmen konnte und schließlich ein paar Schritte zurückwich.
    Er stieg aus dem Sattel, legte Schild und Schwert aus der Hand und begann den gefallenen Koloß langsam zu umrunden. Er wußte nicht, was hier geschehen war, und er versuchte gar nicht erst, es sich vorzustellen, aber es mußte wie ein vorweggenommener Weltuntergang gewesen sein.
    Die Panzerplatten des Ungeheuers waren zerborsten, zermalmt wie die Rüstungen der Toten, die er gefunden hatte, gebrochen unter Hieben, deren Gewalt sein Vorstellungsvermögen überstieg.
    Er fand noch mehr Tote; Männer, die weniger in einem Kampf gefallen schienen als vielmehr gerissen worden waren, verstümmelt und zerfetzt von einer Bestie, der gleichen, gnadenlosen Gewalt, die auch den Drachen getötet hatte.
    Dann fand er Del.
    Er lag ein Stück abseits der anderen, auf halbem Weg zum Flußufer hin, eine verkrümmte, in schwarzes, zermalmtes Horn gehüllte Gestalt neben einem blutigen Bündel, das einmal ein Pferd gewesen sein mochte. Der Schnee unter seiner Rüstung war dunkel. Sein Tschekal lag noch neben ihm. Die Klinge aus graviertem Sternenstahl war gebrochen, zersplittert wie poröses Glas. Er mußte der erste gewesen sein, der sich den Angreifern entgegengeworfen hatte.
    Und wahrscheinlich war er auch der erste gewesen, der gestorben war.
    E r wußte nicht, wieviel Zeit verging — vielleicht waren es Stunden, vielleicht nur Augenblicke, die er reglos neben der geschundenen Gestalt verharrte und ins Leere starrte. Irgendwann begann sich der Wind zu legen. Die wirbelnden weißen Schwaden sanken langsam zu Boden und überdeckten den Kampfplatz mit einer dünnen, rotweiß gefleckten Decke, und irgendwann, noch später, hörte er gedämpften Hufschlag und wandte sich um. Der Schmerz, auf den er gewartet hatte, war nicht gekommen, aber es fiel ihm seltsam schwer, sich zu bewegen, zu denken, die grauen Gestalten, die einer nach der anderen aus dem Nebel hervorkamen, als das zu erkennen, was sie waren. Langsam, mit Bewegungen, die so mühsam waren, als schleppe er eine unsichtbare, zentnerschwere Last mit sich, ging er den Sumpfmännern entgegen. Seine Augen brannten. Etwas lief warm und salzig über sein Gesicht und seine Lippen. Er sah Gowenna, die zusammen mit ihren beiden Wächtern an der Spitze der Kolonne ritt, nur noch wie durch einen durchsichtigen, wogenden Schleier. Ihr Gesicht wirkte bleich, blasser noch als der Schnee zu ihren Füßen.
    »Ich ... weiß nicht, wie du das gemacht hast«, begann sie, sprach aber nicht weiter, als Skar den Kopf schüttelte.
    »Ich habe das nicht getan«, sagte er leise. »Ich fand diesen Platz so vor, wie du ihn siehst.« Plötzlich hatte er Mühe, seine Stimme unter Kontrolle zu halten. Seine Hände zuckten, und irgendwo, tief in seinem Inneren, begann sich ein Gefühl zu formen, das jenseits von Schmerz und Verzweiflung war.
    »Was... ist mit Vela?« fragte Gowenna stockend. »Ist sie —«
    Sie brach erneut ab, als sie den Ausdruck ins Skars Augen sah. Ihr Blick wanderte an ihm vorbei, glitt über die blutbefleckte Schneedecke und blieb für endlose Sekunden an dem verkrümmelten schwarzen Bündel im Schnee
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