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Enwor 3 - Das tote Land

Enwor 3 - Das tote Land

Titel: Enwor 3 - Das tote Land
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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G egen Morgen kam das Fieber, kamen das Fieber und die Träume. Skar hatte den größten Teil der Nacht neben Gowennas Lager zugebracht, stumm wie sie und von Schmerzen und Schwäche, am meisten aber von dem Gefühl der Hilflosigkeit gepeinigt, das von ihm Besitz ergriffen hatte. Es war eine sinnlose Wache, denn er konnte ihr nicht helfen, nicht einmal Trost zusprechen. Er wollte es auch nicht. Jedes Wort, das er hätte sagen können, wäre ihm in ihrer Situation wie grausamer Spott vorgekommen. Sie hatten nicht mehr miteinander geredet; die wenigen Worte, die sie zu ihm gesprochen hatte, schienen ihre gesamten Kraftreserven aufgebraucht zu haben, und sie war in einen unruhigen, von Krämpfen und Schüttelfrost heimgesuchten Zustand irgendwo zwischen Bewußtlosigkeit und Schlaf verfallen.
    Die Nacht breitete einen barmherzigen Schleier aus Dunkelheit über ihr zerstörtes Gesicht, und erst gegen Morgen wurde ihr Schlaf ein wenig ruhiger, keine Agonie mehr, sondern das tiefe, erschöpfte Ruhen eines Körpers, der bis über die Grenzen des Erträglichen hinaus belastet worden war. Dafür begann Skars Krise, als hätte das Schicksal nur gewartet, um ihm einen kurzen Blick in seine eigene Zukunft zu gewähren. Zu Anfang war es lediglich ein dumpfer, kaum wahrnehmbarer Druck hinter seiner Stirn, nur ein Schmerz unter unzähligen anderen, die seinen zerschundenen Körper quälten, der jedoch rasch stärker und nach einer Weile zur Qual wurde; ein Schmerz aber, der sich mehr auf geistiger als auf körperlicher Ebene auszubreiten begann und dem er sich nicht wie gewohnt entgegenzustellen und ihn zu bekämpfen vermochte. Er hatte gewußt, daß er kommen würde, so wie in den Nächten zuvor, und doch war es anders. Seine Hand glitt in einer Bewegung, die schon zum Reflex geworden war und die er wie das Luftholen oder Blinzeln schon nicht mehr bewußt wahrnahm, an seinen Hals und suchte den kleinen Lederbeutel, aber diesmal war nichts mehr da, sein Vorrat an Leben und geliehener Stärke war verschwunden, und das Brennen in ihm wurde stärker. Er stand auf und ging mühsam und schleppend und mit hängenden Schultern wie ein alter Mann zum entgegengesetzten Rand des Kraters hinüber, wie ein Tier, das das nahende Ende spürt und sich von der Herde absondert, um in Ruhe zu sterben. Es war seltsam —jetzt, wo er wußte, daß ihn die Droge nicht töten würde, schämte er sich vor den anderen. Er wollte nicht, daß sie sahen, wie er litt, wie er sich herumwerfen und nach dem Gift schreien würde, das in seinen Adern pulsierte.
    Er war noch immer stark genug, trotzdem einzuschlafen, einfach, weil er es wollte, aber er wachte immer wieder auf, schweratmend und in Schweiß gebadet und mit klopfendem Herzen, bitteren Blutgeschmack im Mund und mit der Erinnerung an die Bilder, die irgendwo hinter seinen Gedanken lauerten, ohne sich zu zeigen. Er konnte sich — anders als zuvor — nicht an die Träume erinnern, aber irgendwie erschien es ihm, als ob sie immer gleich wären, gleich und doch verschieden: so, als sähe er jedesmal eine neue Version ein und derselben Szene. Die Sonne ging auf und ließ den brodelnden Feuerbaldachin Combats verblassen, und es wurde wärmer, zumindest hier, am Grunde des Kraters, dessen steil aufragende Wände sie vor dem eisigen Wind schützten. Skars Bewußtsein begann sich zu verschleiern, zuerst nur zum Teil, als wären seine Gedanken entlang einer gezackten Rißlinie gespalten, aber die Grenze, hinter der er noch klar denken konnte, verschob sich, wurde mit jeder Handbreit, die die Sonne am Himmel emporstieg, kleiner, bis er schließlich ganz in einem Sumpf aus Fieberphantasien und Qual versank.
    Als er erwachte, war wieder Nacht.
    Es war ein Erwachen, ganz anders als sonst; nicht das plötzliche, abrupte Heraufsteigen aus einem langen, stärkenden Schlaf, sondern ein bizarrer, in Etappen stattfindender, furchteinflößen-der Prozeß: langsam und mühevoll, als wäre sein Geist in einen tiefen, unendlich tiefen Abgrund in seiner eigenen Seele gestürzt, aus dem er sich nur mit äußerster Mühe emporarbeiten konnte.
    Das erste, was er spürte, war Kälte. Er lag nicht mehr auf dem nackten Boden, auf den er sich gelegt hatte, sondern auf einem Lager aus Kleidern und Stoffetzen, und jemand hatte ihn mit einem Mantel zugedeckt. Seine Hände und Ellbogen waren zerschrammt und bluteten; wahrscheinlich hatte er um sich geschlagen und sich die Haut an scharfkantigem Lavagestein aufgeschürft. Seine
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