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Entsorgt: Thriller (German Edition)

Entsorgt: Thriller (German Edition)

Titel: Entsorgt: Thriller (German Edition)
Autoren: Joseph D'Lacey
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Gefahren. Im Grunde war dies das giftigste Stück Boden in den gesamten Midlands, möglicherweise im ganzen Land. Stärker verschmutzt als die Abwässer sämtlicher Fabriken von Shreve. Ein größerer Seuchenherd als die Kanalisation. Wenn man sich hier an einem rostigen Metallstück schnitt, korrumpierte die Wunde den gesamten Körper mit Sepsis. Und zwar derart rasch und nachhaltig, dass der Infizierte innerhalb weniger Tage verstarb. Um zu diesen Einsichten gelangen zu können, hätten die Bewohner von Shreve hin und wieder einen Gedanken an ihre Müllhalde verschwenden müssen. Bei eingehender Auseinandersetzung hätten sie womöglich sogar verstanden, dass sie sich trotz dieser Risiken unglaublich glücklich schätzen konnten, einen Ort wie diesen zu besitzen: einen Ort des Abschieds und Vergessens, an dem all ihr Müll unter einer Decke aus Erdreich verschwinden konnte.
    Von ihnen allen dürfte Mason derjenige mit dem optimistischsten Blick auf die Deponie gewesen sein. Für ihn strahlte diese gewaltige Masse an Unrat, Verfall und Zerstörung etwas sehr Positives, geradezu Heiliges aus. Er besaß einen angeborenen Instinkt für die Natur und ihr Wirken. Dieses Gespür war etwas, das auf frühere Generationen zurückging. Waldleute, fahrendes Volk, Generationen, die noch in enger Verbundenheit zur Natur lebten. Mason hatte eine Zeit lang genau wie sie, wie ein Mensch aus der Jungsteinzeit, gelebt. Dieser Lebensabschnitt war ein Teil seiner Vergangenheit, an den er so wenig wie möglich dachte.
    Er hatte ein Gespür für die Fähigkeit der Erde, zu heilen und zu verwandeln. Diese Macht wirkte in ihm als Drücken oder Ziehen, der Schwerkraft nicht unähnlich. Erde, Staub und Matsch waren natürliche Heilmittel, die er über die Jahre genutzt hatte, um sich von verschiedenen Krankheiten zu kurieren. Ein Wickel aus Mullverband und frischer Erde, direkt auf die Haut aufgetragen, hatte ihn fünf Jahre zuvor von einigen Furunkeln befreit. Zwei Jahre später hatte ihn dieselbe Behandlung, kombiniert mit zerstoßenen Kräutern aus seinem Garten, von der Krätze erlöst.
    Für schwerwiegendere Leiden, tiefere Wunden, etwa solche der Seele, hob Mason Brand gewöhnlich einen flachen Graben aus, in den er sich nackt hineinlegte, so dass seine Haut den lehmigen Boden berührte, um sich dann bis zum Kinn mit Erde zu bedecken. Dort, in seinem eigenen Garten, verborgen inmitten von Früchten und Gemüse, lag er dann die Nacht über wach, während sich um ihn herum die Würmer und Schnecken bewegten. Die Erde entzog der Seele das Gift, und zum Sonnenaufgang war er gereinigt. So rein wie an jenem Tag, als seine Mutter ihn unschuldig und schutzlos in die schmutzige Welt der Menschen hineingeboren hatte.
    Das war nichts, worüber er mit seinen Nachbarn sprach. Mason Brand sprach kaum mit irgendjemandem, wenn er es irgendwie vermeiden konnte.
    Die Müllhalde war ein Ort, an dem – wie konnte es anders sein – die reinigende Kraft der Erde besonders stark war. Dies war der Grund dafür, dass Mason des Nachts, wenn die Müllverdichter vor sich hin dämmerten wie betäubte Riesen und der Rest von Shreve innerhalb seiner adretten Backsteinwände schlummerte, durch das Loch kletterte, welches er in den Zaun geschnitten hatte. Dort stand er barfuß inmitten von Zersetzung und Verwesung.
    Vierhundert Meter weit weg, neben der Arbeiterbaracke und den Büros, zeichnete sich ein schmaler Turm, einer schwarzen Kerze gleich, gegen den leicht verschmutzten Himmel ab. Und an der Spitze dieser Kerze, nur nachts sichtbar, brannte sanft eine blaue Flamme: die entzündeten Ausdünstungen der Erde. Das gesammelte Methan, abgefackelt, um die Atmosphäre vor seinen schädlichen Auswirkungen zu bewahren. Da es unmöglich war, das komplette Gas zu sammeln, sah Mason ab und an violette Irrlichter aufflackern und wieder verschwinden, wenn sich kleine Gastaschen spontan entzündeten. Er betrachtete diese Lichter als Lebenszeichen der Erde, vergleichbar mit jenem blinkenden Signal eines Krankenhausmonitors, das Puls und Herzfrequenz anzeigt. Wohlwollende Botschaften, tief aus dem Inneren der Erde aufsteigend. Diese Zeichen speisten seinen Glauben an das Wesen der Dinge, kündeten gleichermaßen von Rechtmäßigkeit und Gerechtigkeit des Verfalls und wussten ihm derart eine so simple wie profunde Freude zu bereiten.
    Er schlug seine Zehen in den Boden, krallte sich in der Erde fest, die auch ihn um seinen Abfall erleichterte: negative Energie, schlechte
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