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Sagen aus Hessen

Sagen aus Hessen

Titel: Sagen aus Hessen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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Abwesender zitiert
    Es lebte einst ein Graf von Erbach, der einen gar klugen Kanzlei-Direktor hatte. Derselbe vermaß sich eines Tages gegen seinen Herrn, daß er Tote und Lebendige zu zitieren verstehe. Als ihn der Graf aufforderte, ihm eine Probe seiner Kunst abzulegen, sagte er, einen Toten wolle er nicht zitieren, weil das zu schrecklich sei, doch wenn er einen weit entfernten Freund oder Bekannten habe, den er einmal zu sehen wünsche, so wolle er ihn bald zur Stelle geschafft haben. Der Graf ließ alle Türen und Ausgänge des Schlosses besetzen, mit dem strengen Befehl, niemanden einpassieren zu lassen, und teilte dann dem Kanzlei-Direktor mit, daß er seinen ehemaligen Jäger zu sehen wünsche, einen gar treuen, redlichen Menschen, der ihm lange und gut gedient habe und jetzt zweihundert Stunden von hier in Lothringen wohne. Der Kanzlei-Direktor bat den Grafen, sich in einen Kreis zu stellen, den er mit Kohle auf dem Fußboden gezogen hatte, und fing dann an, sein Wesen zu treiben. Plötzlich ging die Tür auf und derjäger kam herein -nicht mit langsam abgemessenen geisterhaften Schritten, sondern rasch, munter und lebhaft, wie es von )eher seine Art gewesen. Er machte dem Grafen die gebührende Reverenz und sagte, daß er sich gar sehr freue, seinen ehemaligen Herrn einmal wieder zu sehen. Aber gerade diese anscheinend so natürliche Art der Erscheinung erfaßte den Grafen mit eisigem Grauen, er erwiderte nichts und wurde totenbleich. Schnell fing der Kanzlei-Direktor wieder seine Künste an, der Jäger machte wieder seine Reverenz, empfahl sich gehorsamst und machte die Tür mit vielem Geräusch hinter sich zu. Am gleichen Tag noch schrieb der Graf nach Lothringen an seinem Jäger und fragte ihn, wie es ihm in der letzten Zeit gegangen sei? Sehr erfreut darüber, daß sein alter Herr sich seiner noch in Gnaden erinnere, erwiderte er, daß es ihm in der letzten Zeit, wie in jeder Beziehung so auch mit der Gesundheit, recht gut gegangen sei, nur an dem und dem Tag, zu der und der Stunde habe ihn mitten im Wald plötzlich eine so unerklärlich starke Schlafsucht befallen, daß er am Fuß eines Baumes umgesunken sei und dort eine Stunde lang bewußtlos gelegen habe. Wenn man nun weiß, daß der Jäger zehn Minuten lang bei dem Grafen war, so kann man hiernach leicht ausrechnen, wieviel Zeit ein zitierter Geist braucht, um einen Weg von zweihundert Stunden zweimal zurückzulegen. Der Kanzlei-Direktor durfte von der Zeit an dem Grafen nicht mehr ins Schloß kommen.

Abzug der Wichtelmännchen
    An der Schwalm bei Uttershausen liegt der Dosenberg; dich am Ufer gehen zwei Löcher hervor, die waren von alters her Aus- und Eingänge der Wichtelmänner. Zu dem Großvater des Bauern Tobi in Singlis kam öfter ein Wichtelmännchen freundlich auf den Acker. Eines Tages, als der Bauer Korn schnitt, fragte es, ob er in der künftigen Nacht für reichen Goldlohn Fuhren durch die Schwalm übernehme wolle. Der Bauer sagte zu; abends brachte der Wichtel einen Sack voll Weizen als Handgeld in des Bauern Haus. Nun wurden vier Pferde angeschirrt, und der Bauer fuhr zum Dosenberg. Der Wichtel lud aus den Löchern schwere, unsichtbare Lasten auf den Wagen, die der Bauer durchs Wasser auf das andere Ufer brachte.
    So fuhr er hin und her von abends zehn bis morgens vier Uhr, daß die Pferde endlich ermüdeten. Da sprach der Wichtel: »Es ist genug; nun sollst du auch sehen, was du gefahren hast.« Er hieß den Bauern über die rechte Schulter blicken. Da sah der Bauer, wie das weite Feld voll von Wichtelmännchen war. Darauf sagte der Wichtel: »Viel tausend Jahre haben wir im Dosenberge gehaust, jetzt ist unsere Zeit um, wir müssen in ein anderes Land; im Berg aber bleibt so viel Gold zurück, daß die ganze Gegend genug daran hätte.« Dann lud er dem Tobi seinen Wagen voll Gold und schied. Der Bauer brachte mühsam seinen Schatz nach Hause und war ein reicher Mann geworden. Seine Nachkommen sind noch vermögende Leute, die Wichtelmännchen aber für immer aus dem Lande verschwunden.

Ankündigung des großen Krieges
    Im Jahr 1618 hatte ein Mann zu Schiffelbach, beim Städtchen Gemünden an der Wohra, seinem Jungen vier Mesten Korn zugestellt, sie aufs Pferd gelegt, ihn nachher nach Marburg geschickt: solche dort um zwei Gulden zu verkaufen.
    Da nun dieser vor Marburg zum Dorfe Wehrda kam, hat ein vornehmer, hochgewachsener Mann ihn angesprochen und gefragt, wie teuer er's geben solle; auch hat er ihn vermahnt, er solle eine Meste
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