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Entmündigt

Entmündigt

Titel: Entmündigt
Autoren: Heinz G. Konsalik
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im offenen Sarg, und das Weibsstück denkt an Autocoupés mit Ozelotfellen!«
    »Und du hast gestern gesagt, daß du dir eine Jacht in Nizza kaufen willst, wenn …« Monique zog ihren berühmten Schmollmund. »Onkel Bruno ist tot. Das ist nicht zu ändern. Aber das Leben ist trotzdem schön. Oder trauert einer unter euch wirklich ehrlich …«
    »Monique! Unerhört!« Anna Fellgrub fuhr auf. Ewald Peltzner winkte ab.
    »Monique hat meinen realen Sinn für die Dinge. Bruno war ein Tyrann. Er saß auf seinen Geldsäcken und speiste uns, seine nächsten Verwandten, mit Almosen ab. Er ließ es uns deutlich fühlen, daß wir in seinen Augen Schmarotzer sind. Das muß einmal gesagt werden, auch wenn er noch nicht unter der Erde ist! Bruno hatte stets wenig Familiensinn!«
    Ewald hob die Hand, als wolle ihm jemand widersprechen, aber es war niemand da, der anderer Ansicht war. »Doch Schwamm drüber! Wir stehen jetzt vor seinem großen Erbe, und wir müssen uns würdig erweisen, es zu verwalten. Ich schlage vor, daß wir – auch schon aus steuerlichen Gründen – eine AG aus den Werken machen und wir die Hauptaktionäre mit zusammen 75 Prozent werden. Als Aufsichtsratsvorsitzender und Generaldirektor würde ich die Verantwortung übernehmen. Das scheint mir eine gute Lösung.«
    Anna Fellgrub schielte zu ihrem Sohn hinüber. Heinrich schien nichts einzuwenden zu haben. Demnach war Ewalds Vorschlag offenbar tatsächlich gut.
    »Du wirst es schon richtig machen, Ewald«, sagte sie. »Und du hast ja auch Heinrich …«
    »Und ich wiederhole: Es ist zum Kotzen!« sagte Heinrich Fellgrub. »Zum Kotzen!«
    Das Begräbnis Bruno Peltzners glich einem Staatsbegräbnis. Fahnen, Musik, Abordnungen, Diplomaten, die Feuerwehr, der Schützenverein, der Kegelklub, Kinder des Waisenhauses und der Kirchenvorstand zogen hinter dem hellen, mit Bronze beschlagenen Eichensarg her.
    Anna Fellgrub weinte herzzerbrechend und mußte von Ewald gestützt werden, als der Sarg unter den Klängen des Trauermarsches in die Familiengruft gesenkt wurde. Selbst Monique weinte … es gehörte ebenso zu ihrem raffiniert geschnittenen schwarzen Kleid wie die üppige Perlenkette.
    Gisela Peltzner stand mit steinernem Gesicht da. Auf ihrem Zimmer hatte sie in den vergangenen Nächten geweint – hier, vor aller Augen, war sie wie eine kühle Marmorstatue. Nur ihr Blick ging ab und zu hinüber zu Ewald Peltzner, der seine Schwester Anna festhielt. Mit seinem dicken, aufgeschwemmten Gesicht bemühte er sich, Trauer zu zeigen. Es widerte Gisela an, das zu beobachten.
    Dann kam die lange Reihe der Kondolanten, mechanisch drückte Gisela Hunderte von Händen, hörte Worte, die sie gleich wieder vergaß, und blickte in Gesichter, die für sie nur ein heller Fleck vor einem blauen Himmel waren.
    Als alle gegangen waren, trat Heinrich Fellgrub an ihre Seite und schob seinen Arm unter den ihren. Gisela zuckte zusammen.
    »Komm«, sagte er leise. »Man wartet auf uns …«
    »Wer wartet?«
    »Die Gäste. Onkel Ewald hat ein großes Essen vorbereitet. Er meint, es gehöre sich so. Hundert berühmte Persönlichkeiten. Zu Ehren …«
    Er sprach nicht weiter. Gisela sah ihn groß an. Dann zog sie den Arm aus dem seinen, wandte sich um und ging allein dem anderen, entgegengesetzt liegenden Ausgang des Friedhofes zu. Ewald Peltzner, der die Szene aus der Ferne verfolgt hatte, hob die Schultern. Er hielt seine Schwester zurück, die Gisela nachlaufen wollte.
    »Laß sie, Anna«, sagte er mit belegter Stimme. »Sie hat den Schock noch nicht überwunden. Da ist man am besten allein …«
    Eine lange Autokolonne fuhr vom Friedhof zurück zur Villa Bruno Peltzners.
    »Genug für heute …« Professor Dr. Hubert v. Maggfeldt war aufgestanden und schloß das Fenster. Der Abend lag golden über dem Park, Gisela saß auf der geblümten Couch, hatte den Kopf zurückgelehnt und starrte an die Decke.
    Oberarzt Dr. Pade hatte seine Blätter dicht beschrieben. Die Familien- und Eigen-Anamnese war nahezu abgeschlossen. Man wußte jetzt alles über Erkrankungen der nächsten Verwandten, über Absonderlichkeiten der Familie, über mögliche erbbiologische Einflüsse. Man wußte, daß Gisela eine Frühgeburt gewesen war, daß sie einige Kinderkrankheiten gehabt hatte, einen leichten Autounfall im Alter von 20 Jahren; in der Schule war sie eine gute Schülerin, hatte die Obersekundareife gemacht und nachher noch drei Jahre die höhere Handelsschule mit einem guten Diplom. Sie neigte zu keinen
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