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Entmündigt

Entmündigt

Titel: Entmündigt
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Pade unter.
    »Ich bin nicht müde«, sagte sie ruhig. »Ein wenig Durst habe ich … Ich möchte aber sofort den Herrn Professor sprechen.«
    »Das werden Sie, gnädiges Fräulein. Und der Herr Professor wird Ihnen stets zur Verfügung stehen.«
    »Sofort!« wiederholte sie. In ihren starr glänzenden Augen glomm es plötzlich auf. »Ich bin gesund! Ich weiß nicht, was ich hier soll …«
    »Natürlich sind Sie gesund.« Dr. Pade lächelte sie an.
    Der Funken in ihren Augen erlosch wieder. Pade kannte das von Hunderten ähnlicher Fälle. Durch Drogen hatte man die Patientin ruhiggestellt, ihre Motorik blockiert … sie gingen, sahen, sprachen und aßen … aber es war, als geschehe alles hinter einer Watteschicht.
    Gisela wurde durch eine große Halle geführt und stand dann in einem großen, hellen Zimmer mit einer geblümten Couch, einer hellblauen, einfarbigen Tapete, entzückenden kleinen Pariser Stühlen und einer fliederfarbenen Gardine.
    »Bitte, ruhen Sie sich aus«, sagte Oberarzt Dr. Pade und wies auf die Couch. »Man wird Ihnen sofort ein Glas eisgekühlten Orangensaft bringen. Auch ich komme gleich zurück.«
    Gisela Peltzner setzte sich auf die Couch. Freundlich lächelnd verließ Dr. Pade den sonnendurchfluteten, anheimelnden Raum. Fast lautlos klickte die Tür hinter ihm zu.
    Eine Tür ohne Klinke.
    Gisela starrte auf die nackten Flecke über dem Türschloß.
    Jetzt … dachte sie. Die Tür ist zugeschlagen. Eine Tür ohne Klinke. Jetzt bin ich in einer Irrenanstalt. Und ich bin gesund … ich bin doch gesund …
    Sie hatte nicht die Kraft, aufzuspringen und zu schreien, gegen die Tür zu trommeln oder das Fenster aufzureißen. Die Droge in ihren Nervenbahnen lähmte sie. Ihre letzte Kraft zerfloß wie in einem grenzenlosen, leeren Raum.
    Sie ließ sich nach hinten auf die Couch fallen und schloß die Augen. Die Sonne über ihr wurde dunkler und dunkler und schwamm davon.
    Als die Schwester das Glas Orangensaft mit Eis brachte, schlief Gisela, quer über der Couch liegend, mit herabhängendem Kopf.
    Ein schmaler bleicher Kopf in einem See goldener Haare.
    Der Professor hatte die Akte Gisela Peltzner aufgeschlagen und überflog noch einmal die Diagnose, die ihn veranlaßt hatte, das Mädchen in seiner Klinik aufzunehmen. Es dauerte einige Zeit, bis er schließlich aufsah. Dann aber, während er sich Dr. Vrobel zuwandte, kam seine erste gedämpfte Frage sehr bestimmt.
    »Sie, Herr Kollege, haben es also für dringend notwendig angesehen, die junge Dame hierherzubringen?«
    Dr. Fritz Vrobel, der ihm gegenübersaß, zuckte zusammen.
    »Ja«, sagte er schnell. »Anlaß gab mir der Bericht Doktor Adenkovens, der als juristischer Berater der Peltzner-Werke einen umfassenden Überblick über alles gab, was in den letzten Monaten geschehen ist.«
    »Herr Dr. Adenkoven?« Der Professor sah den Rechtsanwalt ausdruckslos an, als wolle er damit demonstrieren, daß er von Ausführungen medizinischer Laien grundsätzlich nichts halte. Adenkoven sah übernächtig aus, mit dunklen Ringen unter den Augen. Seine Stimme klang nervös.
    »Ich bin gezwungen, die Geschäftsunfähigkeit Fräulein Peltzners in bestimmtem Maße zu beantragen. Aus dem Ihnen vorliegenden Bericht gehen alle Symptome hervor, die uns zu diesem Schritt veranlaßten. Es ist tragisch, daß es so gekommen ist. Die Untersuchung in Ihrer Klinik, Herr Professor, erfolgt wegen akuter Psychosen, Erregungszuständen, Nahrungsverweigerung, Selbstmordneigung … Fräulein Peltzner hat jede Übersicht verloren. Es besteht die Gefahr, daß sie die Peltzner-Werke zugrunde richtet.
    Wie Sie wissen, wurde Fräulein Peltzner von ihrem Vater nach dessen tragischem Tod – einem Jagdunfall – als Alleinerbin des gesamten Vermögens und aller Fabriken und Liegenschaften eingesetzt. Das Testament ist rechtsgültig. Aber schon nach wenigen Monaten zeigten sich derart besorgniserregende Störungen bei ihr, daß wir nicht umhin konnten – schon im Interesse der Werke und der 20.000 Arbeiter und Angestellten, die wir beschäftigen –, Fräulein Peltzner unter Aufsicht zu nehmen. Seitdem hat sich ihr Zustand so verschlimmert, daß wir die Untersuchung in einer psychiatrischen Klinik für dringend angebracht hielten. Ein Entmündigungsverfahren ist wohl kaum zu umgehen und wird schließlich vor allem von Ihrer Diagnose abhängen, Herr Professor.«
    Ewald Peltzner nickte zustimmend. Dr. Adenkoven wischte sich mit einem Taschentuch über den Mund.
    Professor v. Maggfeldt
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