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Entmündigt

Entmündigt

Titel: Entmündigt
Autoren: Heinz G. Konsalik
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kapriziöse Tochter Ewald Peltzners. Monique schaute sich ausgesprochen gelangweilt um. Sie hielt nichts von Familienausflügen, ganz gleich, wohin sie führten und zu welchem Zweck sie veranstaltet wurden.
    Anna Fellgrub konnte ihre Aufregung und Neugier in diesem Augenblick nicht mehr bezähmen. Mit großen Schritten stürzte sie auf ihren Bruder zu und ergriff ihn an den Rockaufschlägen.
    »Nun?« fragte sie. »Nun? Mach den Mund auf, Ewald. Was ist denn?«
    »Sie bleibt da …«
    Anna Fellgrub ließ ihren Bruder mit einem Ruck los. »Weiter nichts? Die Entmündigung?«
    »In frühestens sechs Wochen. Sie wollen sie genau untersuchen.«
    »Wieso denn das, Ewald? Ich dachte, die Diagnose von Doktor Vrobel und Dr. Oldenburg genügt …«
    Ewald Peltzner zuckte die Achseln. »Anscheinend nicht.«
    »Stümper!« sagte sie laut. »Ihr scheint alle Stümper zu sein.« Dr. Vrobel und Dr. Adenkoven sahen sich betreten an. »Und was nun, Ewald?« Anna Fellgrubs Stimme schwankte. Diese Frage war auf einmal viel leiser gekommen. Anna hatte Angst in den Augen. Dr. Adenkoven, der Anwalt, sah es, umklammerte seine Aktentasche und trat vor.
    »Gnädige Frau, ich werde alle geeigneten Maßnahmen so durchführen, wie wir beschlossen haben. Bitte, machen Sie sich keine Sorgen!«
    »Wirklich nicht, Herr Doktor?«
    Anna Fellgrub sah hinüber zu dem großen weißen Haus. Am Fenster eines Seitenflügels stand ein älterer Mann und fing imaginäre Mücken. Mit exakt abgezirkelten Bewegungen fuhr seine gekrümmte Hand durch die klare Luft und schnappte unermüdlich zu. Dabei grinste er breit zu Anna Fellgrub hinab und streckte die Zunge heraus.
    »Laß uns gehen … schnell …«, sagte sie zu Ewald Peltzner und rannte zurück zu ihrem Wagen. Monique puderte sich gerade. Ihr hübsches, dummes Kulleraugengesicht war eine Farbkomposition von äußerster Verwegenheit.
    »Hat Papa alles erreicht, Tante Anna?« fragte sie und leckte über ihre hellrot geschminkten, etwas fülligen Lippen. Ihr pechschwarzes Haar glänzte wie Lack.
    »Steig ein – und weg von hier!«
    Langsam, wie sie gekommen, rollten die beiden schwarzen Wagen den Weg zurück durch den Park. Wieder glitt das Tor, wie von Geisterhand betätigt, zur Seite und gab die Ausfahrt frei.
    Auf der Straße riß Ewald Peltzner seinen Schlips herunter, öffnete den Hemdkragen und griff mit leicht zitternden Fingern nach einer Zigarette.
    »Das hätten wir überstanden!« sagte er heiser. Er klopfte Dr. Vrobel und Dr. Adenkoven, die vor und neben ihm saßen, auf die Schulter. »Wir fahren bei mir vorbei, meine Herren. Sie können Ihren Scheck sofort mitnehmen …«
    Als das Bewußtsein wiederkehrte, war auch die Sonne wieder da. Sie schien auf die Pariser Stühle, auf die zartblaue Tapete, auf die geblümte Couch und die Tür ohne Klinke.
    Mit einem Ruck setzte sich Gisela Peltzner auf und sah in die Gesichter von Professor v. Maggfeldt und Dr. Pade. Mit beiden Händen griff sie in ihre langen blonden Haare und drückte sie zurecht. Der starre Glanz war aus ihren Augen gewichen. Jetzt war Leben in ihnen, tobendes Leben, Kampfwille, Trauer, Entsetzen und Hoffnung. Von allem etwas – es waren wieder die Augen eines Menschen.
    »Sie glauben also, ich sei verrückt?« fragte sie. An den großen, sehr korrekten, gepflegten Oberarzt Dr. Pade mit den dunklen Augen und dem schmalen Gesicht konnte sie sich nicht mehr erinnern, er war ihr ebenso fremd wie der weißhaarige, gütige Kopf des Professors.
    »Das glauben wir keineswegs«, sagte Professor v. Maggfeldt.
    »Mein Onkel hat es also fertiggebracht, mich hierherzubringen. Mit gefälschten Diagnosen, mit gekauften Ärzten! Es ist ein Verbrechen!«
    »Vielleicht ist es ein Verbrechen«, sagte Professor v. Maggfeldt.
    »Und trotzdem halten Sie mich hier fest?!«
    »Aber niemand hält Sie hier fest, gnädiges Fräulein. Sie sind hier, damit die Wahrheit an den Tag kommt.«
    »Welche Wahrheit denn?«
    »Ob die Diagnose Ihrer … dieser Ärzte falsch oder richtig ist.«
    »Sie ist falsch, Herr Professor.«
    »Wollen Sie diese Untersuchung nicht lieber vertrauensvoll in unsere Hände legen, da Sie nun einmal bei uns sind? Wenn sich jemand vor Sie stellt, sind wir es, liebes, gnädiges Fräulein! Was immer kommt, solange Sie hier sind bei uns, sind Sie geborgen …«
    Die gütige, väterliche Stimme Maggfeldts wirkte wie hypnotisierend. Gisela Peltzner setzte sich wieder auf die geblümte Couch. Ihre schlanken Hände zitterten, als sie nach dem
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