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Entfuhrt

Entfuhrt

Titel: Entfuhrt
Autoren: Koppel Hans
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heraus und stach wieder zu.
    »Ganz rein«, schrie sie. »Und, wie ist das? Ganz rein.«
    Sie stach ein drittes Mal zu und ließ das Messer dann stecken. Er sank auf dem Fußboden zusammen.
    Ylva stand auf, schwankte zur Tür, tastete den Boden ab und fand die Schlüssel. Ihre Hände zitterten nicht mehr. Sie steckte den richtigen Schlüssel ins Schloss und drehte ihn herum.

57. KAPITEL
    Mike fühlte sich fiebrig. Ihm war übel. Unendlich viele, zu viele Gedanken schwirrten haltlos in seinem Kopf herum. Blitzschnelle, unverständliche Gedanken, die ihn verspotteten wie ein Kreis grölender Schulkinder. Mike konnte sich drehen und wenden, wie er wollte, er wurde immer wieder in den Ring geschubst.
    Noch so ein Verrückter, der mit diesem Illustrierten-reporter, der ihn vor einer Woche in seinen vier Wänden belästigt hatte, unter einer Decke steckte. Ein gestörter Mensch, dem es Freude bereitete, irgendwelchen Unsinn zu verbreiten, um sich einen Augenblick lang in der bedeutungsvollen Nähe des Todes aufhalten zu können. Der Tod war anziehend, das stand außer Frage. Ein Lockmittel für Verrückte. Wie jene Leute, die nach dem Tsunami die Angehörigen angerufen und behauptet hatten, ihre Verwandten seien noch am Leben und würden bald nach Hause kommen.
    Und dennoch. Gösta hatte eine Tochter gehabt. Die jung gestorben war. Er hatte darüber nicht sprechen wollen. Das war verständlich. Insbesondere im Hinblick auf die Rollen, die Gösta und er spielten.

    Was hat Ylva über Gösta und Marianne Lundin gesagt?
    Was meinte er? Warum brachte er Ylva mit Gösta und Marianne in Verbindung? Sie hatten doch noch gar nicht in dem Haus gewohnt, als Ylva verschwunden war, sie waren erst später eingezogen. Oder ungefähr zur gleichen Zeit. Etwa zu diesem Zeitpunkt. Genau da.
    Wie auch immer, Ylva hatte nie irgendwelche frisch eingezogenen Nachbarn erwähnt.
    Und warum zog dieser Irre Gösta und Marianne Lundin in die Sache rein? Woher kannte er sie?
    Mike verstand das nicht. Dann hatte er eine Erleuchtung.
    Ein Patient.
    Natürlich. Der Anrufer war einer von Göstas Patienten. Wahrscheinlich hatte er ein Gespräch zwischen Gösta und ihm mit angehört und sich dann in seinem kranken Kopf eine Parallelwelt geschaffen.
    So musste es sein. Es gab keine andere Erklärung.
    Mike atmete mit einem lauten Seufzer aus. Er war immer noch erregt und zitterte. Tränen standen ihm in den Augen. Aber er merkte, wie er langsam wieder ruhiger wurde.
    Nach und nach nahm er die Welt wieder wahr, drangen Bilder und Geräusche zu ihm durch. Die Geräusche kamen von einer Blockflöte im Wohnzimmer.
    Hänschen … klein … ging … allein. Hänschen … klein … ging … allein. Hänschen … klein ging … allein.
    Die Blockflöten-Entsprechung des »Für Elise« für Klavier.

    Die Blockflöten-Entsprechung des »Smoke On the Water« für Gitarre …
    Mike erinnerte sich an seine erste Begegnung mit Gösta, als ihnen klar geworden war, dass sie Nachbarn waren. Gösta war in das Haus am Sundsliden eingezogen, das mit dem umgebauten Keller und dem für teures Geld eingerichteten Musikstudio. Gösta hatte so getan, als spiele er Gitarre, und hatte »Smoke On the Water« gesummt.
    Die Gedanken drehten sich wieder im Kreis. Mike hatte Mühe beim Schlucken.
    Mike hatte Gösta von dieser Presseschwuchtel erzählt, die ihm mit drei Toten in den Ohren gelegen hatte. Gösta hatte gefragt, was daran Besonderes sei. Drei Tote , hatte er gesagt. Und? Drei Leute, die vorzeitig gestorben und die zufälligerweise auf dieselbe Schule gegangen seien.
    Drei …
    Aber es waren nicht drei. Mit Ylva waren es vier. Gösta und er sprachen über Ylva immer, als wäre sie tot. Sie glaubten beide nicht, dass sie zurückkommen würde. Aber Gösta hatte nicht von vier Toten gesprochen, sondern von drei.
    Wahrscheinlich nur ein Missverständnis, aber trotzdem.
    Mike versuchte, das unbehagliche Gefühl abzuschütteln, ließ kaltes Wasser laufen und trank dann direkt aus dem Hahn.
    Das ließ sich doch ganz leicht nachprüfen.
    Er öffnete die Tür zum Wohnzimmer.
    »Schön spielst du, Liebling. Weißt du, was ich mir ausgedacht habe?«

    Sie schüttelte den Kopf.
    »Ich dachte, wir könnten bei Gösta und Marianne vorbeischauen, du weißt schon, die in dem weißen Haus am Sundsliden wohnen. Er hat ein tolles Musikstudio. Wir können vielleicht aufnehmen, was du spielst. Dann hast du was zum Vergleichen, wenn du noch mehr dazugelernt hast. Was hältst du
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