Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Titel: Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)
Autoren: Nancy Mitford
Vom Netzwerk:
Nacht im Radio eine englische Ansprache hielt, mit einer eigenartig näselnden Stimme, die ihn als Lord Haw-Haw berühmt-berüchtigt machte. Unity wurde mitsamt der Delegation fotografiert, als sie in der Besucherloge die Arme zum Hitlergruß erhoben hatten. In ihrem Buch hält Diana fest, dass sie und Unity die Karten zum Parteitag von Putzi Hanfstaengl bekamen, den sie im Braunen Haus in München besucht hatten. Diana sprach für sich und für Unity, als sie schrieb: »Die gigantischen Paraden liefen ohne Stockung ab. Ein Gefühl erregten Triumphes lag in der Luft, und als Hitler erschien, ging es wie ein elektrischer Schlag durch die Menge.« Und Unity sollte dem Evening Standard bei ihrer Rückkehr nach London in einem Interview sagen: »Gleich als ich ihn sah, wusste ich, dass ich niemanden lieber kennenlernen würde.«
    Innerhalb von achtzehn Monaten konnte sie ihren Willen durchsetzen. In ihrer Art war dies eine phänomenale Leistung. Unter dem Vorwand, Deutsch lernen zu wollen, überredete sie ihre Eltern, sie nach München zu schicken. Was für Sorgen muss Farve sich über Unitys Zukunft gemacht haben, dass er seine Abneigung gegen alles Deutsche überwand! Sie wurde in ein Pensionat für junge Engländerinnen gesteckt, das die ältliche Baronin Laroche leitete. Dort erfuhr sie bald, dass Hitler einen Stammtisch in der Osteria Bavaria unterhielt, einem bekannten Restaurant in Schwabing; dort saß er gern mit seinen alten Kameraden, besonders Julius Streicher, Joseph Goebbels, Albert Speer, dem Fotografen Heinrich Hoffmann, Otto Dietrich, der für die Presse und die Öffentlichkeitsarbeit zuständig war, aber auch mit seinen persönlichen Adjutanten.
    Tag für Tag saß Unity nun in diesem Restaurant. Ihr nordisches Aussehen, davon war sie überzeugt, würde die Aufmerksamkeit auf sie lenken. Die Mitfords, so sagte sie gerne, waren »reinrassige Arier«. Manchmal trieb es sie allein an diesen Ort, aber oft wurde sie auch von einer anderen Engländerin begleitet, die an der Universität studierte (und die schließlich einen deutschen Medizinstudenten heiraten sollte, der später Arzt in der SS wurde). Natürlich wurde Unity bemerkt, überprüft und belohnt. Im Tagebuch ihrer Freundin steht unter dem 7. Februar die Eintragung: »Am Sonnabend ließ Hitler Unity zu sich bitten, und sie speiste an seinem Tisch zu Mittag – sie war zu Tode aufgeregt, natürlich.«
    Diese Damenversion einer amourösen Annäherung hatte geklappt. Diana hatte zwar ihren Leader, doch Unity hatte die Aufmerksamkeit eines viel Größeren errungen, des deutschen Führers persönlich. Auf dem Höhepunkt der Entwicklung lud sie Diana nach München zu einer Begegnung mit Hitler ein. Diana kam, wie es sich gehörte. Und im April kam auch Mosley, ein Mosley, der inzwischen total auf die Linie Hitlers eingeschwenkt war. Mosley, Diana, Unity und Winifred Wagner lunchten zusammen mit Hitler in seiner Wohnung in der Prinzregentenstraße.
    Streicher, Gauleiter von Franken und Herausgeber des Stürmer mit seiner Mischung aus Pornografie und Antisemitismus, scheint Unitys Propagandawert sehr schnell begriffen zu haben. Laut Jessica erklärten Diana und Unity in Swinbrook in reinster Mitford-Manier, Streicher sei »ein Kätzchen«. Jedenfalls sorgte Streicher dafür, dass Unity bei der riesigen Sonnwendfeier im Sommer 1935 auf dem Hesselberg, wo Volkstum und Nazismus gemeinsam gefeiert wurden, eine Rede halten konnte. Eine Viertelmillion hörte dort über die Lautsprecher Unitys Solidaritätserklärung für Hitler-Deutschland. Sie gab der Nazipresse Interviews im Namen Mosleys und der BUF. Mit Diana und Leni Riefenstahl war sie Ehrengast bei einer weiteren Streicher-Veranstaltung, einem Kongress für ausländische Naziorganisationen in Erlangen.
    Doch erst ein Brief, den sie Ende Juli 1935 im Stürmer veröffentlichte, war so bizarr und gewalttätig im Ton, dass er ein Aufsehen erregte, das später niemals mehr ganz verblassen sollte. In diesem Brief drückte sie ihre Bewunderung für die Zeitung und ihre wilden Kampagnen gegen die Juden aus; sie wünschte sich ein solches Blatt für England und schloss mit den Worten: »Jeder soll wissen, dass ich eine Judenhasserin bin.« Schändlichkeit und Erfolg waren endlich ein und dasselbe geworden. Sie hatte herausgefunden, dass sie niederträchtig und schockierend sein konnte, ohne dafür bestraft zu werden. Nach diesem Brief berichteten die Zeitungen über jeden Schritt von »Unity, der Judenhasserin«:
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher