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Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Titel: Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)
Autoren: Nancy Mitford
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und Bücher über die Medici und die Bourbonen geschrieben hat; Brian Howard, der es weder als Schriftsteller noch als Homosexueller je ganz zum Skandalerfolg brachte: Hier war eine Gruppe von Leuten, die ihre Talente ganz selbstverständlich zur Schau trugen. »Was für Leute!«, sagte Muv bloß. Mochten sie als Dilettanten erscheinen, sie erwiesen sich als zäh, ehrgeizig und professionell, und sie haben bis in die Gegenwart das Credo des L’art pour l’art am Leben gehalten.
    »Diana war gelangweilt und rebellisch, ganz klar, und sie folgte Nancys Spuren«, setzt Jessica die Geschichte in Hons and Rebels fort, dem Bericht über ihre Herkunft. Diana bestätigt das in ihren eigenen Memoiren, A Life of Contrasts, und spricht von der »schrecklichen, tödlichen Essenz der Langeweile«, die sie heimsuchte. Von allen Schwestern besaß vielleicht Diana am meisten von einer klassischen Schönheit. Ihr Aussehen machte sie zu einer »Society Beauty«, dem Exemplar einer eigenen gesellschaftlichen Gattung, die – gewöhnlich im Profil – für die Hochglanzmagazine jener Zeit fotografiert wurde, etwa für den Tatler; heute wäre sie vielleicht Fotomodell. Sie war achtzehn, als sie sich mit Brian Guinness verlobte, dem Erben des berühmten Brauereivermögens, der ein Mann mit literarischen Neigungen war, was ihn zu einem »Bright Young Thing« qualifizierte (heute ist er Lord Moyne). Die elterliche Abneigung auf beiden Seiten wurde überwunden. Die Hochzeit in St. Margaret’s, der vornehmen Kirche gleich neben der Westminster Abbey, war ein Höhepunkt der Londoner Saison von 1929. Beim nachfolgenden Empfang, so hat es Diana aufgezeichnet, hörte sie Robert Byron seine Reisepläne erläutern und rief dann aus, ganz im Geist der Zwanziger: »Wollen wir uns nicht alle bald in Kappadokien treffen!«
    Die neu vermählten Guinnesses wohnten in Biddesden, einem schönen Haus aus dem 18.Jahrhundert, von Swinbrook leicht mit dem Auto zu erreichen. Betjeman fing in einem Zweizeiler etwas von der Atmosphäre ihrer luxuriösen Bohemeexistenz ein:

    I too could be arty, I too could get on with the Guinnesses, Gertler, Sickert and John.
    (Auch ich könnte künstlern, auch ich könnte dann mit den Guinnesses, Gertler, Sickert und John.)

    (Mark Gertler, Walter Sickert und Augustus John waren die drei berühmten englischen Maler der Zeit.) Doch im Sommer 1932 wurde in Biddesden ein Maskenball gefeiert. Unter den Gästen befand sich auch Sir Oswald Mosley, und er tanzte an dem Abend sehr häufig mit Diana, seiner Gastgeberin. Bei diesem Anblick legte sich ein Schatten über die Gesellschaft. Natürlich waren vor allem persönliche Gefühle berührt, doch die Anwesenheit Mosleys und sein Erfolg lieferten das Zeichen dafür, dass die Harlekinade der »Bright Young Things« vorüber war und die englische Weimar-Epoche, wie man sie nennen könnte, zu Ende ging.
    Mosley besaß einen Instinkt fürs Dramatische; bei öffentlichen Ereignissen erkannte er sofort das Auge des Sturms und befand sich gern in diesem Mittelpunkt. 1898 geboren, Erbe eines Titels mit Geld und Land, hatte er mit Tapferkeit im Ersten Weltkrieg gekämpft und war danach als Konservativer ins Parlament eingezogen. Dann heiratete er Lady Cynthia Curzon, Tochter von Lord Curzon, dem früheren Vizekönig von Indien und Außenminister: die Personifizierung der Werte des Empire. So viele Leute versicherten Mosley, er habe eine brillante Zukunft vor sich, dass er es anscheinend gar nicht abwarten konnte, sie zu beginnen. Ungeduldig verließ er die Konservative Partei, passierte die Liberale Partei und landete in der Labour Party, die ihm im Jahr 1929 ein Amt in der Regierung von Ramsey MacDonald gab. In jenem Jahr brachen auf der ganzen Welt die Aktienmärkte zusammen; die Große Depression war da und damit die Massenarbeitslosigkeit. Mosley plädierte für Hilfsmaßnahmen in Form öffentlicher Arbeitsbeschaffungsprogramme, aber man hörte nicht auf ihn, und so trat er aus Groll von seinem Amt zurück. Bis zu seinem Tod blieb er bei der Überzeugung, er habe recht gehabt und hätte das Land aus dem wirtschaftlichen Sumpf herausziehen können. Seine Karriere hatte bereits gezeigt, welch geringen Wert er der Demokratie und ihren Strukturen beimaß, und seine Verachtung für die Parlamentarier sollte er nie aufgeben. Entschlossen, seinen Weg zu machen, gründete er 1931 seine eigene Partei, die er New Party nannte, nur um in den allgemeinen Wahlen desselben Jahres eine demütigende
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