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Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Titel: Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)
Autoren: Nancy Mitford
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Niederlage zu erleben.
    Im Januar 1932 besuchte er Benito Mussolini in Rom, der ihm den Rat gab, sich zum Faschisten zu erklären. Das tat Mosley auch, nach dem Vorbild der Schwarzhemden, die ihn stark beeindruckt hatten. Als Mosley sich beim Maskenball von Biddesden in Diana verliebte, hatte er längst alles vorbereitet, die britische Version des Faschismus zu lancieren. »Natürlich verliebte ich mich in ihn«, schrieb Diana in ihren Memoiren, »und ich beschloss, mein Los mit ihm zu teilen.« Im Oktober hielt die British Union of Fascists, kurz BUF, ihre ersten Massenversammlungen ab.
    Der britische Faschismus war vom Anfang bis zum Ende abhängig von der Persönlichkeit Mosleys, der sich selbst zum Leader ernannt hatte: in der Tat ein Einmannorchester. Welche Wirkung Mosleys Privatleben auf die von ihm vertretene Sache hatte, lässt sich kaum mit Gewissheit sagen; jedenfalls starb Lady Cynthia im Mai 1933 unerwartet an Bauchfellentzündung. Einen Monat später ließen sich die Guinness scheiden, und Diana zog in ein Haus am Eaton Square mitten im schicken Belgravia.
    Dort traf sie sich mit Mosley, schrieb Diana, »oder in seiner Wohnung in der Ebury Street, und meine Freunde gewöhnten sich an meine unhöfliche Art, in der letzten Minute meine Pläne zu ändern«. Im Lauf der nächsten Jahre, so fügt sie hinzu, besuchte sie auch Dutzende von Faschistenversammlungen, sowohl in Sälen wie im Freien. Die Redesdales waren entsetzt; in ihrem Universum gab es keinen Platz für solche Entwicklungen. Eine Weile versuchten sie, Diana innerhalb der Familie zu ächten, weil sie an die jüngeren Schwestern und besonders an Unity dachten.
    Als inzwischen Achtzehnjährige verfügte Unity bereits über ein beträchtliches Repertoire von Aktivitäten, mit denen sie ihre Schwestern übertroffen hatte. Wo diese sich noch im Rahmen von Launen und Possen bewegt hatten, war sie zum offenen Trotz vorgestoßen. Man spürt an ihr jene totale Verachtung für Konventionen, die Fanatismus hervorbringt. Der Gedanke an Kompromisse entzündete in ihr einen Extremismus, mit dem sie anderen zeigen wollte, zu welchen Dingen sie fähig war. In ihrer Strategie, die Welt herauszufordern, um von ihr bestraft zu werden, lag etwas Verzogenes und Kindisches, aber auch eine irritierende Tendenz zur Selbstvernichtung – wenn Jessica von ihr wieder einmal über alle Maßen gereizt worden war, rief sie Unity zu, sie solle doch abhauen und sich das Leben nehmen, und damit rührte sie unbewusst an die tiefere Quelle von Unitys Handlungen. Nachdem sie, nicht mehr zu bändigen, endlich von Swinbrook fortgeschickt, dann aus der einen, danach auch aus der nächsten Schule hinausgeworfen worden war, hatte Unity zwar ihre Freiheit, hing aber in der Luft. Der ganze Komplex Diana-Scheidung-Mosley-Faschismus nahm sie nun auf der Stelle gefangen. Mosleys politische Aussichten, dachte man, könnten womöglich durch die Verbindung mit den Mitfords Schaden nehmen, da sie so bald nach dem Tode von Lady Cynthia zustande kam, die bei den BUF-Mitgliedern sehr populär gewesen war. Romanze streng geheim, Verschwörung, hohe Politik. Ohne Wissen ihrer Eltern schlich Unity sich zum Eaton Square, und dort warteten der Leader, die Zukunft und der Gang der Geschichte auf sie. Aufregend: Der Leader gestattete ihr den Beitritt zur Partei. Aufregend: Er schenkte ihr einen Gummiknüppel und ein Faschistenabzeichen, das sie tragen konnte, wenn Muv und Farve nicht hinsahen.
    Wie Diana nahm auch Unity an faschistischen Aufmärschen und Demonstrationen teil, oft im East End, jener Londoner Slumgegend, wo Mosley sich durch seine Angriffe auf die Juden Unterstützung erhoffte. Unity kaufte sich eine Uniform; sie verkaufte BUF-Zeitungen; sie akzeptierte alles, was Mosley sagte. Mit einer schockierten Freundin ging sie ins Selfridge’s, das große Kaufhaus in der Oxford Street, und ließ eine Tonaufnahme von sich machen mit dem Slogan, den die BUF bei ihren Straßenangriffen auf die Juden schrie: »The Yids, the yids, we gotta get rid of the Yids.« Der Faschismus, rein und unverdünnt, war in eine Persönlichkeit wie die ihre eingedrungen wie in ein Vakuum.
    Im August 1933 nahm eine BUF-Delegation am Nürnberger Naziparteitag teil, dem ersten seit Hitlers Machtergreifung, und Diana und Unity waren dabei. Zur Delegation gehörte auch Mosleys Stellvertreter William Joyce, der ein so entschiedener Nazi war, dass er, als der Krieg erklärt war, seinen Wohnsitz nach Berlin verlegte, wo er jede
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