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Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Titel: Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)
Autoren: Nancy Mitford
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über ihren Besuch der Bayreuther Festspiele mit Hitler, über ihre Anwesenheit bei allen folgenden Parteitagen in Nürnberg und ihren Besuch der Olympischen Spiele von 1936. Unweigerlich wurde Unity auch als »Hitlers englische Freundin« bezeichnet. Ein paar Zeitschriften in England und Amerika spekulierten, anscheinend gut unterrichtet, über eine Heirat Unity-Hitler, bis schließlich Lord Redesdale eine Erklärung abgab, dass es keine derartigen Pläne gebe. Die Hon als Mrs. Adolf Hitler – das war nun doch jenseits der Swinbrook-Fantasien.
    Hitler seinerseits fühlte sich durch Unitys Schwärmerei geschmeichelt. Das Mädchen zu seinen Füßen war attraktiv, sie war Engländerin, und ihr Vater war ein Lord. In seiner Gesellschaft war Unity wohlerzogen, doch lebhaft; sie amüsierte ihn mit ihren Erzählungen aus England, über das er fast gar nichts wusste. Zusammen sahen sie den Tatler durch, und aus den Gesellschaftsnachrichten stellten sie Listen jener Leute zusammen, die im Fall eines Nazisiegs in Europa zu Anhängern werden könnten, und von solchen, die unerbittliche Feinde waren, Churchill-Anhänger, die es zu liquidieren galt.
    Die Publizität um Unity war für Hitler vorteilhaft. Einmal schien ihre Anwesenheit in seinem Kreis ihn etwas menschlicher zu machen – es war zum Beispiel unvorstellbar, dass Josef Stalin einem jungen Mädchen aus dem Ausland den Zutritt zum Kreml gewährte. Und dann konnte Hitler sie zu seinen Zwecken einsetzen, was er auch sehr geschickt tat; durch sie ließ er Klatsch und Gerüchte ausstreuen, mit und ohne wahren Kern. Jeder, der Unity kennenlernte, brannte darauf, alles über Hitler zu erfahren, so wie er wirklich war, und sie antwortete, ganz in ihrer eigenen Swinbrook-Sprache, dass er ein Schatz sei, dass er solch süße Augen habe, solch einen süßen Regenmantel trage, dass er nur an Frieden denke, das britische Empire bewundere und darauf hoffe, die britische Marine und die deutsche Armee zu wunderbaren nordischen Streitkräften zu vereinen, dass er so viel von Architektur verstehe. Und wer konnte schon besser im Bilde sein als sie?
    Die britischen Konsuln in München hielten es, einer nach dem anderen, für ihre Pflicht, sie aufzusuchen und ihre Unterredungen ins Londoner Außenministerium zu berichten. Sicher schlich sich ein skeptischer Ton in viele dieser Berichte ein – Unity ging so weit, einem erstaunten Konsul vorzuschlagen, dass Hitler zum Gott erklärt werden müsse. Aber schließlich war sie es, die weitererzählte, was Hitler gerade über Mussolini geäußert hatte oder über seine Gäste, den Herzog und die Herzogin von Windsor. Es war zumindest eine raffinierte Art, Informationen in die Welt zu setzen, die die offiziellen Verlautbarungen etwas verwischen, aber auch ergänzen konnten. Das war nützlich genug.
    Und es entging auch nicht Hitlers Aufmerksamkeit, dass Unity Zugang zu ihrem Vetter Churchill hatte. Zur Zeit des Anschlusses eilte sie zum Beispiel im Gefolge der deutschen Truppen nach Wien, um Hitler im Hotel Imperial zu treffen, wo er abgestiegen war, zweifellos um den Wienern zu zeigen, in welchem Stil er zurückkehrte. In einem Interview mit einer englischen Zeitung sagte Unity: »Er war müde, doch schien er von allem sehr gerührt. Meiner Meinung nach war es wunderbar.« Sie schrieb unverzüglich an Churchill, um ihm klarzumachen, dass sein Widerstand gegen den Anschluss falsch sei, weil die Wiener Hitler mit einhelliger Begeisterung empfangen hätten. Churchill nahm das zur Kenntnis und leitete ihren Brief zur Stellungnahme weiter an den österreichischen Botschafter in London. Der Botschafter, soeben von den Nazis entlassen, widerlegte Unity, und Churchill änderte seine Meinung in keiner Hinsicht.
    Es mag die Churchill-Verbindung gewesen sein, die zu Hitlers Überschätzung der Redesdales und ihres Einflusses führte. Muv und Farve wurden von Unity angefleht, München zu besuchen; sie wolle sie dem Führer vorstellen. Sie kamen, sahen und wurden besiegt. In der Prinzregentenstraße tranken sie Tee mit Hitler, und Muv erläuterte, wie sie ihren Weizen mahlte und ihr Brot buk, was Hitler anscheinend entzückte. Ein offizieller Mercedes wurde ihnen zur Verfügung gestellt; sie wurden hofiert und genossen es dankbar. Sie kehrten als Ehrengäste des Nürnberger Parteitags zurück. Lord Redesdale hielt von nun an Reden im Oberhaus über solch allgemeine Themen wie Hitlers Friedensliebe und den sozialen Fortschritt im Dritten Reich. Die
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