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Endstation Nippes

Titel: Endstation Nippes
Autoren: Ingrid Strobl
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setzte Wasser auf und machte Kaffee. Tina hielt einen Strauß orangefarbener Rosen in der Hand und streckte ihn mir entgegen.
    »Für deine Hilfe bei den Ermittlungen.«
    Ich nahm ihr die Blumen ab, schnitt sie an und stellte sie in die Vase. Tina legte die Bäckereitüte, die sie in der anderen Hand gehalten hatte, auf den Tisch und packte den Inhalt aus, eine Schnitte Mohnkuchen.
    »Der ist für dich.«
    »Und du?«, fragte ich verblüfft. Sie schüttelte nur abwehrend den Kopf.
    Ich goss den Kaffee auf und brachte ihn an den Tisch.
    »Was willst du zuerst hören? Die gute oder die schlechte Nachricht?«
    »Egal. Schieß los.«
    »Chantals Entführer ist beziehungsweise war der Hiwi von unserem geschätzten Herrn Staatsanwalt Dr. Völcker. Er heißt Eduard Richter und …«
    »Richter?«, fiel ich ihr ins Wort. »Und woher kommt dann sein osteuropäischer Akzent?«
    »Tarnung. Völcker hat ihm dazu geraten.« Sie gab sich einen zusätzlichen Löffel Zucker in den Kaffee und rührte um. »Eigentlich keine schlechte Idee«, meinte sie nachdenklich. »Wenn du sagt: ›Es war ein Russe‹, dann wundert sich keiner, weil alle die Russen für kriminell halten. Und wir suchen dann nach einem Russen. Und kommen gar nicht auf die Idee, es könnte Hänschen Maier sein. Oder eben ein Eduard Richter.«
    »Völcker«, riss ich sie aus ihren Betrachtungen.
    »Ja. Also, Richter hat erst mal den Helden gespielt: ›Ich sage nichts!‹ Dann habe ich ihn warten lassen. ‘ne ganze Weile. Bis die Wirkung von seiner letzten Line verflogen war. Dann habe ich ihm gesteckt – das ist übrigens die schlechte Nachricht –, dass Völcker sich abgesetzt hat.«
    »Nein!«
    »Doch. Da komm ich noch drauf. Jedenfalls, als unser Mucki-Mann das gehört hat, ist er ausgerastet. ›Das Schwein, ich muss noch meine Kohle kriegen, der kann nicht einfach abhauen, der schuldet mir noch tausend Tacken!‹«
    Ich langte nach meinen Zigaretten, beherrschte mich dann aber.
    »Und danach«, fuhr Tina fort, »hat der sich so richtig ausgekotzt. Er hat die Drecksarbeit für Völcker gemacht. Ihm die Jungs rangeschafft, je jünger, desto lieber. Und in letzter Zeit auch ›so Schlitzaugen-Babys‹, wie er sich auszudrücken beliebte. Er hat für Völcker ausfindig gemacht, wo Marco sich versteckt hielt. Dann hat er Marco zusammengeschlagen und im Nordpark an Völcker übergeben. Und ihn anschließend entsorgt. Dabei ist ihm allerdings ein Pulk Jungs dazwischengekommen, die offenbar auf dem Heimweg noch einen durchziehen wollten. Da hat er Panik gekriegt und ist laufen gegangen. Sonst hätten wir Marco vermutlich auch als verkohlte Leiche mit ausgebrochenen Zähnen im Rhein gefunden.«
    »Das heißt, Richter hat Tamara für Völcker entsorgt?«
    »Nein, warte. Er selber, das hat er immer wieder betont, hat es nicht mit kleinen Jungs. Dafür hat ihm Völcker Tamara überlassen. Als Belohnung für seine Dienste. Ich nehme an, Tamara ist für die Grimme zum Problem geworden, und sie wollten sie loswerden. Also haben sie sie Richter zum Fraß vorgeworfen. Damit konnten sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Richter hat sie vergewaltigt, bis sie halb tot war. Dann hat er sie erwürgt. Da steht er drauf. Und danach hat er sie entsorgt. In ihrem Fall ist ihm leider niemand dazwischengekommen.«
    Jetzt zündete ich mir doch eine an. Stellte mich an das offene Fenster. »Woher weißt du das, Tina? Das hat er doch sicher nicht alles gestanden.«
    »Komm ich gleich zu.« Tina hatte einen bitteren Zug um den Mund, den ich bisher nicht an ihr bemerkt hatte. »Die tote Katze und Chantals Entführung waren Richters eigene Idee. Er hat dir erst den Rucksack abgenommen. Dann hat Völcker sich das Material, das du da drinhattest, angesehen und Richter den Auftrag erteilt, dich auszuschalten. Wie, war wohl egal. Dafür sollte er die tausend Euro bekommen. Und Chantal als Draufgabe.«
    Ich drehte mich um und schaute aus dem Fenster. Eine Taube beobachtete mich vom gegenüberliegenden Balkon. Zumindest schien es mir so. Nach einer Weile flog sie auf und ließ sich auf einem Ast der Birke in unserem Hof nieder. Ich wandte mich wieder Tina zu.
    »Hans Grimme«, berichtete sie weiter, »hat Völcker eigenhändig erledigt. Mit einem aufgesetzten Kopfschuss. Wo, das müssen wir noch herausfinden. Im Stadtwald hat er ihn nur abgelegt. Richter war zur Tatzeit mit euch beschäftigt, also kann er es nicht gewesen sein. Grimmes Notebook haben wir ein paar Meter weiter im Gebüsch
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