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Endstation Nippes

Titel: Endstation Nippes
Autoren: Ingrid Strobl
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schade, wenn jetzt …«
    »Keine Sorge«, erwiderte ich und strahlte sie an. »Frau Hansen ist, wenn überhaupt, wirklich nur Zeugin.«
    Die Grünen nahmen mich netterweise mit und brachten mich zur Ecke Innere Kanalstraße/Neusser Straße. Ich ging in den chinesisch-vietnamesischen Imbiss und gönnte mir eine große Portion Tofu mit Gemüse. Dann holte ich mir nebenan noch zwei Kugeln Eis zum Nachtisch und schleppte mich nach Hause. Mir tat alles weh, ich hatte nur noch ein einziges, überwältigendes Bedürfnis: Mich ins Bett legen, mir die Decke über den Kopf ziehen und schlafen. Schlafen, schlafen, schlafen.
    Stattdessen setzte ich mich an den Rechner und rief meine Mails auf. Fand eine von Stefan, der wissen wollte, wie es mir ging. Mir fiel ein, dass er von den Ereignissen des heutigen Tages gar nichts wusste. Ich schrieb ihm zurück, ich wäre ihm unendlich dankbar, wenn er am Abend zu mir kommen und bei mir schlafen könnte. Die nächste Mail war von Mary. Hotte hatte sie offenbar informiert, denn sie erwähnte Chantals Entführung nicht, sondern schrieb mir stattdessen, im Anhang sei ein Bericht ihres cousin George . Ich öffnete die Datei, begann zu lesen und verschluckte mich vor Aufregung an meinem eigenen Speichel.
    Gregor van Maarsen, schrieb Marys Cousin, sei ein höherer Beamter im Auswärtigen Amt gewesen, sein Zuständigkeitsgebiet Südostasien – Thailand, Laos, Kambodscha, die Philippinen. In den neunziger Jahren habe er sich frühpensionieren lassen. An dieser Frühpensionierung sei etwas faul, vermutete cousin George , was, könne er aber noch nicht sagen, das Auswärtige Amt blocke seine Anfragen ab. Ende der Neunziger sei van Maarsen in Zusammenhang mit Kinderhilfsaktionen aufgetaucht, die jedoch alle sehr kurzlebig waren. In Thailand hätten Mitarbeiter von UNESCO Anzeige gegen ihn erstattet wegen des Verdachts der Pädophilie. Die Anzeige sei niedergeschlagen worden, van Maarsen habe Thailand verlassen und sei wenig später von einem UNESCO -Mitarbeiter, der vor Jahren in Manila mit ihm zu tun gehabt hatte, in Phnom Penh gesehen worden. Dort habe van Maarsen zusammen mit einem Hans Grimme eine Hilfsaktion für Kinder aufgebaut, die in die Prostitution verkauft worden waren.
    Wow, dachte ich. Kopierte die Datei und schickte sie Tina. Sie hatte mir einmal von einem New-York-Urlaub erzählt, also ging ich davon aus, dass sie Englisch konnte.
    Hertha!, fiel mir plötzlich ein. Ich musste sie auf Stand bringen. Bloß heute nicht mehr. Heute ging gar nichts mehr. Ich läutete bei ihr an, bedankte mich bei ihr für ihren heldinnenhaften Einsatz und bat sie, am Morgen zum Frühstück zu kommen. »Dann erzähl ich dir alles. Aber jetzt muss ich ins Bett, okay?«
    Ich putzte noch den Hausflur vor meiner Wohnungstür, wo die Spurensicherung ihre Spuren hinterlassen hatte. Sah wieder die gehäutete kopflose Katze vor mir. Und bekam schon wieder Angst. Aber wovor, was sollte mir jetzt noch passieren? Du bist mit den Nerven runter, Leichter, sagte ich mir. War ja auch alles ein bisschen viel. Also geh jetzt ins Bett. – Was ich dann auch endlich tat.

EINUNDZWANZIG
    Als ich wach wurde, war es zehn Uhr morgens. Irgendwann hatte Stefan geläutet, ich hatte ihm aufgemacht, war ins Bett zurückgetaumelt und hatte weitergeschlafen. Jetzt wollte ich aufstehen, aber so einfach war das nicht. Mir tat noch immer alles weh. Der Platz neben mir war leer, aber in der Ecke lag Stefans Rucksack. Der Mann meiner Träume war also noch da. Fragte sich nur, wo. Ich quälte mich aus den Kissen und schlurfte in die Küche. Auf dem Boden stand Rosas Teller, halb gefüllt mit frischer Leber, die ich nicht eingekauft hatte. Der Frühstückstisch war für drei Personen gedeckt, auf dem Stövchen stand meine japanische Teekanne, die ich nur zu festlichen Anlässen verwende, daneben eine Thermoskanne. Mit Kaffee, vermutete ich. Ansonsten lagen da noch Margarine, der Emmentaler, den ich neulich gekauft hatte, und ein Zettel: »Guten Morgen, meine Liebste! Bin gleich wieder da, Stefan.«
    »Ach, du Wonne meines Herzens«, seufzte ich theatralisch, als ich die Tür öffnete, und blickte in Herthas weit aufgerissene Augen.
    »Oh«, sagte ich.
    Sie grinste. »Du hast doch gestern gemeint, ich soll rüberkommen zum Frühstück.«
    Als es erneut schellte, sah ich vorsichtshalber erst mal nach, wer vor der Tür stand. Doch nun war es tatsächlich Stefan, der mir den Express entgegenhielt.
    »Massaker in Lindenthal«, verkündete die
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