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Endithors Tochter

Titel: Endithors Tochter
Autoren: David C. Smith & Richard L. Tierney
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ihrem Leben selten empfunden hatte.
     
    Die nächtliche Wache war nervenaufreibend und ungewöhnlich für alle Anwesenden. Nicht einmal für kurze Zeit wagte Sonja sich zu entspannen, nicht einmal wich ihre Schwertspitze weit von Kus’ Gesicht oder Kehle ab. Oft erbot der eine oder andere Wächter sich, ihren Platz einzunehmen, damit sie sich ein wenig ausruhen könne.
    Doch jedes Mal lehnte Sonja dankend ab. »Ich halte es schon durch und ich möchte keinen Augenblick versäumen. Ich will, dass er mich sieht und sich bewusst ist, dass ich es bin, der er seine Vernichtung zu verdanken hat. Eh, Kus? Wie lange lebst du schon als Sargwurm? Wie viele hast du getötet oder untot gemacht, wie du es bist, du Blutegel aus der Hölle?«
    Jedes Mal, wenn sie ihn auf. diese Weise quälte, zischte und knurrte Kus. Einmal antwortet er: »Wieso bildest du dir ein, dass ich mehr Herr meines Geschicks bin, als du des deinen, Hyrkanierin? Du verdammst mich, doch einst waren ich und alle meiner Art so wie du. Du schimpfst mich böse, doch derselbe Funke des Bösen steckt in jedem Menschen. Deinesgleichen sind ‚der Ursprung für jene, die sind wie ich. Das Böse ist in euch allen und könnte euch eines Tages zu dem machen, was ich nun bin. Verdamme mich, aber sei dir bewusst, dass du dich so gleichermaßen selbst verdammst!«
    Doch meistens versuchte er die ermüdenden Söldner mit Versprechungen süßen Sieges, großen Ruhmes, gewaltiger Kräfte, ungeheuren Reichtums, der Unwiderstehlichkeit gegenüber Frauen und der Unsterblichkeit. Jedes Mal stupste Sonja oder einer der Männer neben ihr ihn dann mit der Klingenspitze und streute ihm eine Prise Salz ins Gesicht, woraufhin der Vampir kreischte, sich wand und noch weiter in die Nische zu kauern versuchte.
    Öllampen brannten im Lauf der Nacht nieder, neue wurden angezündet oder Öl nachgegossen.
    Einige im Gemach, die nicht unmittelbar Wache standen, nickten dann und wann ein und schreckten schweißüberströmt hoch. Andere versuchten Karten oder mit Würfeln zu spielen, mussten jedoch einsehen, dass sie ihre Gedanken dafür nicht beisammen hatten. Die Furcht im Gemach war zu groß. Zu genau erinnerten die Söldner sich, wie Kus nahe daran gewesen war, ihnen seinen Willen aufzuzwingen, damit sie Sonja töteten. Es war ein schreckliches Gefühl, wenn der eigene Wille verdrängt wurde, und genauso schrecklich war allein schon die Nähe des grauenvollen Untoten. Nicht nur einer überlegte laut, was geschehen wäre, wäre nicht ein Junge mit einem Eisenmesser durch das Fenster geklettert.
    Chost stärkte sich mit Wein und Brot, das aus der Küche gebracht wurde. Er verließ Leras Seite nicht, fühlte immer wieder ihren, Puls und betete, dass sie bald wieder zu sich kommen würde. Immer noch hob und senkte ihr Busen sich nur schwach, und sie atmete unendlich langsam in gleichmäßigem Rhythmus. Was hatte Kus mit ihr gemacht? Würde sie überhaupt je wieder aufwachen?
    Kus beobachtete Chost und nährte seine Furcht. »Es ist dir doch klar. Junge, dass ihre Seele mit mir kommt, wenn sie mich töten?«
    »Halt’s Maul, Dämon!«
    »Es ist wahr!« versicherte ihm Kus hohl lachend. »Es ist wahr!«
    »Sei still!« Chost sprang auf und hob das Eisenmesser.
    »Chost!« rief Sonja, dann stupste sie Kus mit der Schwertspitze. Der Hexer zischte und überhäufte sie mit Verwünschungen. Er versuchte ihr die Klinge zu entreißen, doch für ihn war das Metall weißglühend, so riss er qualvoll aufschreiend die Hand hastig zurück.
    Die Nacht schien endlos zu sein. Andere Wächter im Gemach tauschten Platz mit denen neben Sonja. Einer mit Neigung zur Philosophie fragte Kus ernsthaft:
    »Wie lange bist du schon untot, Ilorku?«
    Kus knurrte bloß.
    »Komm, sag es mir. Ich möchte es wirklich gern wissen. Wie lange bist du schon Vampir?«
    »Deine Urgroßmutter saugte mein Blut während der Semrog-Riten, Narr. Ich zwang ihr meinen Willen auf und sie ließ sich willig mit Hunden ein, als ich es ihr befahl.«
    Ungerührt lachte der Söldner. »Sag es mir, ernsthaft. Erinnerst du dich an König Atron?«
    »Ist er vielleicht einer deiner Lieblingshelden? Er war abscheulich, gemein …«
    »Erinnerst du dich an das alte Acheron? Ich wüsste es gern.«
    Kus’ Stimmung änderte sich. »Ich lebte unter den Purpurschatten von Python, der Hauptstadt Acherons«, antwortete er leise. »Ich bin so alt wie einige der Götter, die ihr Dummköpfe verehrt. Ihr tötet eine Gottheit, ist euch das klar? Eure ganze
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