Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Endithors Tochter

Titel: Endithors Tochter
Autoren: David C. Smith & Richard L. Tierney
Vom Netzwerk:
herausgezogen hatte, wie vor einem heißen Eisen zurück. Plötzlich brach er in dem sonnengezeichneten Rechteck am Fuß der Wand zusammen.
    Sonja blieb einige Schritte entfernt stehen und beobachtete ihn.
    Dichterer Dunst stieg nun von dem Vampir auf, der sich noch kurz unter seinem dunklen Gewand rührte, einen Arm vorschob und mit einem Bein zuckte. Doch dann bewegte er sich nicht mehr, und der Sonnenschein auf seinem verbrannten Fleisch glühte. Sein Haar färbte sich weiß und zerfiel zu Pulver. Das Fleisch seiner Hände schälte sich wie altes Pergament, und die Knochen lösten sich zu winzigen Häufchen feinen Staubes auf, der Kopf als letztes. Und schließlich lagen das dunkle Gewand und seine restliche Kleidung auf dem Boden über nichts als ein bisschen Staub.
    Totenstille herrschte in dem Gemach.
    Schaudernd holte Sonja Atem und griff nach einer Öllampe. Sie leerte sie auf Kus’ Kleidung. Flammen leckten, und ein übel riechendes Feuer verschlang alle Spuren des alten Staubes.
    Chosts Herz schlug aufgeregt. Er spürte nun Leras Puls ganz deutlich. Ihre Lider zuckten. Er strich ihr über das Haar, sah, wie ihr Gesicht Farbe annahm, und hörte, wie sie tief atmete. Dann öffnete sie die Augen und blickte in seine.
    »Chost …«
    Sonja schlurfte zu einem Stuhl und ließ sich völlig erschöpft darauf fallen. Der Weinkrug, nach dem sie griff, schlug gegen den Silberbecher und verriet, wie zittrig ihre Hand war. Schnell goss sie den Wein hinunter, warf den Kopf zurück und stieß einen langen, müden Seufzer hervor.

 
EPILOG
     
    Liebe – und ein Talisman
     
    Der Untersuchungsausschuss der Stadt Shadizar – sofort nachdem der Tod von Nalor und Kus kundwurde, wurde er aus den Ratsmitgliedern zusammengerufen – verbrachte drei Tage damit, Beweismaterial und Zeugenaussagen zu überprüfen. Das Untersuchungsergebnis wurde in der hintersten Ecke des Archivs abgelegt, wo es kaum wieder zu finden war, und allen Augenzeugen, sowie jenen, die mit dem Fall zu tun gehabt hatten, wurde unter Androhung von Verbannung oder sonstiger unerfreulicher Strafe untersagt, über den Vorfall zu sprechen.
    Doch Verbannung und sonstige Strafe oder nicht, irgendwie verbreitete das Gerücht sich sehr schnell über die ganze Stadt und es gab keine Straße, keine Gasse und keine Schenke, wo es nicht erörtert wurde.
    Sonjas Aussage hatte den Ausschlag in der Anhörung gegeben. Ihre Unschuld in diesem Fall war nicht angezweifelt worden, nachdem ihre dringenden Gründe für die List bekannt waren, mit der sie sich Zutritt zu Nalor verschafft hatte. Ihre eigenen Worte, sowie die Aussagen der Diener und Wächter aus Nalors Haus, bestätigten, dass sie nicht in ein Komplott gegen Nalor verwickelt gewesen war. Areel, Endithors Tochter, hatte den Berater getötet – offenbar durch Zauber, denn an seiner Leiche war keine Wunde zu finden gewesen.
    Der Ausschuss entschied, eine weitere Untersuchung durchzuführen, um festzustellen, welcher strafbaren Handlungen Lord Graf Nalor sich während seiner Amtszeit im Staatsdienst schuldig gemacht hatte. Damit war Sonja frei zu gehen.
    »Diese Vorfälle«, erklärte ein weißbärtiger Ratsherr salbungsvoll, »beweisen deutlich, wie recht unsere Priester und Weisen mit ihrem Bild des Bösen haben. Wie treffend ist doch der alte Spruch: ›Die Schlange folgt in ihrer Bösartigkeit blind ihrem Instinkt und verschlingt in ihrem Wahn sich selbst vom Schwanz zum Kopf‹.«
    Frei zu gehen – und ebenso frei, sich die Belohnung zu holen.
    Shadizar hatte hundert Goldstücke auf den Kopf des Mörders ausgesetzt gehabt, der seinen Opfern den Hals aufriss. Aber Sonja wollte das Geld nicht für sich allein behalten. Als ihre Aussage aufgenommen war und sie gehen konnte, suchte und fand sie Chost und Lera auf einer Bank des Stadtplatzes und gab ihnen die Hälfte der Belohnung.
    Obgleich ihre Großzügigkeit die beiden offenbar etwas verlegen machte, schlugen sie das Geld nicht ab.
    »Ihr zwei habt es verdient«, versicherte ihnen Sonja. »Ob ihr es nun beabsichtigt hattet oder nicht, ihr habt dazu beigetragen, dass es so gekommen ist.«
    Sie spazierten über den Platz und unterhielten sich noch eine Weile bei einer Flasche Wein.
    »Bleibt ihr in der Stadt?« fragte Sonja sie.
    Chost schüttelte den Kopf. »Wir wollen in den Westen.«
    Lera lächelte und drückte seine Hand.
    »Wir haben für eine Weile genug von dieser Stadt«, fuhr Chost fort. »Und dieses Gold macht vielleicht einen ehrlichen Mann aus mir.«
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher