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Elysion: Roman (German Edition)

Elysion: Roman (German Edition)

Titel: Elysion: Roman (German Edition)
Autoren: Thomas Elbel
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außer Freiwild.
    »Krieger haben die Spule getestet«, fuhr sie fort. »McCanns Gang.«
    Der Kettensägenmann zog die Augenbrauen hoch. Offensichtlich hörte er den Namen nicht das erste Mal. Kein Wunder. McCann und seine Bande galten als die härteste Truppe in der ganzen Stadt, nur dass sie, anders als Gangs wie diese hier, keine hauptberuflichen Kriminellen waren, jedenfalls nicht nach McCanns Definition. Denn er hatte sich ganz dem Kampf gegen die Malachim verschrieben. Aus irgendeinem Grund waren sie für ihn das personifizierte Böse. Wenn McCann also raubte, mordete, plünderte oder mit Teer handelte, dann tat er dies nicht zur Selbstbereicherung, sondern um seinen Kampf gegen die Malachim führen zu können, den er mit religiöser Inbrunst betrieb. Vielleicht war es aber gerade das, was ihn unerbittlicher und grausamer machte als all die anderen kleinen Gangsterbosse. Sie alle zitterten vor McCann.
    »McCann, sagst du? Was ist passiert?«
    »Er hat zwölf seiner Besten in den Wald geschickt, mit sechs von diesen Spulen. Keiner ist zurückgekommen.«
    »Aha. Und jetzt willst du mir erzählen, dass ihr es besser könnt.«
    »Immerhin haben wir schon über ein Dutzend Malach erwischt«, warf Brent ein. Irgendwer hinter ihnen ließ ein anerkennendes Pfeifen hören.
    Der Kettensägenmann richtete sich wieder auf. »Und wer sagt mir, dass du mir keine Scheiße auftischst, Posterboy?«
    Cooper sah, wie Brent die Zähne aufeinanderbiss. Was immer ihm auf der Zunge lag, er schluckte es herunter. Braver Junge.
    »Und wenn sie die Wahrheit sagen?«, wandte Freddy, der Physiklehrer, ein.
    Der Kettensägenmann schoss ihm einen wütenden Blick zu.
    »Ich meine ja nur, man sollte alles in Betracht ziehen«, fügte Freddy entschuldigend an.
    Ein gefährliches Funkeln stahl sich in die Augen des Kettensägenmanns. »Na fein. Dann nehmen wir sie eben auch mit.«

2
    Staub tanzte in dem Sonnenstrahl, der sich durch einen Spalt in der Falltür bohrte und einen kleinen Ausschnitt des Bodens vor Coopers Füßen aus der Dunkelheit herausstanzte. Von der Falltür führte eine Holzleiter herab. Es stank nach altem Schweiß und Urin. Kein Wunder. Es gab nicht einmal einen Topf zum Reinpinkeln, und außer ihr, Stacy und Brent saßen noch drei bleiche Gestalten auf dem festgetrampelten Erdboden. Alles Mädchen. Alle ungefähr in Coopers Alter. Ihre Kleidung bestand aus abgerissenen Stofffetzen, die kaum mehr als das Nötigste bedeckten. Den lethargischen Blicken nach hatten sie hier schon weit mehr Zeit verbracht als die paar Stunden, die Cooper mit ihnen teilte.
    »Wie heißt du?«, fragte Cooper das augenscheinlich Jüngste unter ihnen, eine kleine, halb verhungerte Rothaarige mit dem Gesicht einer Spitzmaus.
    »Shauna«, antwortete die Kleine leise und ohne den Blick zu heben.
    »Hi, Shauna. Ich bin Cooper. Das hier ist meine Freundin Stacy, und der geschniegelte Angeber da heißt Brent.«
    Brent verzog das Gesicht zu einem säuerlichen Lächeln.
    Die Kleine hob nur kurz den Kopf. Nachdem ihr Blick über die Genannten gehuscht war, ließ sie das Kinn wieder auf die Brust sinken und schwieg.
    Doch Cooper wollte noch nicht aufgeben. »Wie lange seid ihr schon hier?«
    Shauna zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Paar Wochen vielleicht.«
    »Wochen?«, fragte Brent sichtlich verstört. »Warum? Ich meine, warum halten die euch hier so lange fest? Seid ihr Geiseln oder so was?«
    Die drei Mädchen tauschten stumme Blicke untereinander. Eine von den Älteren schüttelte den Kopf. Niemand antwortete.
    »Hey, wir haben euch was gefragt«, hakte Brent nach.
    »Lass sie in Ruhe, Brent«, fiel ihm Stacy ins Wort. Cooper schaute überrascht auf. Ein seltener Akt der Rebellion.
    Erneutes Schweigen. Bleiern. Beklommen. Cooper betastete ihr lädiertes Auge. Es tat immer noch weh und war geschwollen. Öffnen konnte sie es nur mit Mühe. In dem herrschenden Halbdunkel tanzten lautlos Blitze um sie herum. Wahrscheinlich eine Nachwirkung des heftigen Zusammenpralls mit dem Kopf des Malach. Sie betete inständig, dass er keine bleibenden Schäden zur Folge hatte. In dieser Welt ein weiblicher Teenager zu sein, war schon hart genug. Ein einäugiger weiblicher Teenager hatte es kaum besser.
    Stacy schien in eine Art Schockstarre verfallen zu sein, seit die Gang sie alle einkassiert hatte. Seit Stunden hatte sie nichts anderes getan, als unverwandt ihre Zehen anzustieren. Cooper fragte sich, was in ihr vorging. Wie sie Stacy kannte, war es
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