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Elysion: Roman (German Edition)

Elysion: Roman (German Edition)

Titel: Elysion: Roman (German Edition)
Autoren: Thomas Elbel
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zwei Revolver und einen lausigen Karabiner mit fünf Schuss.« Es klang fast entschuldigend. »Haben die meisten von uns erwischt. Nur eine Frage der Zeit, bis sie mich auch kriegen. Keine Ahnung, warum sie das Feuer eingestellt haben.«
    Er sah nachdenklich auf Cooper herab. Dann wischte er sich energisch das Blut von der Stirn, das unablässig aus einer unsichtbaren Wunde irgendwo in seinem Skalp sickerte.
    »Egal. Vorher habe ich hier noch was zu erledigen, und wenn es das Letzte ist, was ich tue. Ich teile nämlich nicht gern, falls du verstehst, was ich meine.« Er lachte. Es klang hohl und grauenhaft.
    Dann hob er die Hand. Cooper erkannte die rundliche, metallisch glänzende Form darin.
    »Heilige Mutter Gottes …«, murmelte Brent neben ihr.
    Über ihnen bohrte sich der Zeigefinger des Mannes in den Ring, mit dem sich der Splint abziehen ließ.
    Ein einzelner markerschütternder Knall ließ sie alle zusammenfahren. Als Cooper die Augen wieder öffnete, bestand das Gesicht über ihnen nur noch aus dem Kinn und der unteren Zahnreihe.
    Ein paar Sekunden schwankte der Torso. Dann kippte er vornüber und schlug seitlich von der Ausstiegsluke auf die hölzerne Grubenabdeckung. Sein rechter Arm hing durch die offene Falltür nach unten. Die Finger der Hand waren geöffnet. Sie waren leer.
    Cooper blieb das Herz stehen. Etwas Schweres prallte gegen die Leiter, schlug auf den Boden und rollte in den Schatten.

    Irgendwo kilometerweit entfernt spürte jemand eine namenlose Angst. Ein Gefühl, das er bis dahin nicht gekannt hatte. Genauso wenig, wie er bis vor einigen Stunden gewusst hatte, was es bedeutete, ein Ich zu sein. Verwundert rieb er sich das schmerzende Auge. Der Druck seiner Finger auf dem Augapfel ließ kleine Blitze durch die Dunkelheit tanzen.
    Er versuchte sich an die jüngere Vergangenheit zu erinnern, aber das Kollektiv war verschwunden. Stille statt des üblichen vielstimmigen Chors. Und mit dem Wir waren auch alle Erinnerungen verschwunden. Sogar das Kollektiv selbst war nur noch eine vage Empfindung, fast ein abstrakter Begriff.
    Ein Schrei voller Furcht und Schmerz zerriss den Strom seiner Gedanken. Entsetzt stellte er fest, dass es seine eigene Stimme war, die er hörte.

    Fassungslos starrte Cooper auf die Handgranate, dann wurde ihr bewusst, dass sie die Luft schon seit etlichen Sekunden anhielt.
    Etlichen Sekunden?
    Bedeutete das nicht …?
    Aber warum …?
    Dann sah sie den Ring und den Splint in der Granate. Für einen Moment war es, als würde ihr Körper plötzlich Gewicht verlieren. Sie musste sich an der Wand abstützen.
    »Es ist vorbei, Coop. Wir können raus. Das sind McCanns Männer dort oben.«
    Brents Stimme. Die Wirklichkeit hatte sie wieder, aber es blieb ein seltsamer Schleier zwischen ihr und der Welt, der sich nicht lüften wollte, der ihre Beine schwer machte und jedes ihrer Worte in ihrem Mund festhielt.
    Später konnte sie sich nicht mehr daran erinnern, wie sie aus dem Loch herausgekommen war. Nur an das halbierte Gesicht des Kettensägenmanns im Flutlicht eines Scheinwerfers, der den nächtlichen Garten hinter dem Haus in unwirklich grelle Helligkeit tauchte. Er hatte McCanns Männern zunächst schwer zu schaffen gemacht, als sie das Anwesen gestürmt hatten, wie Cooper später erfuhr.
    Ein anderer Anblick, der sich ihr für immer ins Gehirn brannte, war das Gesicht von Shauna, die im Wohnzimmer des Hauses auf einer lumpigen, alten Couch saß, aufrecht und mit geöffneten Augen, trotz der Löcher in ihrer Brust und der blutigen Höhle, in der einmal ihr rechter Augapfel gesessen hatte. Im fahlen Licht einer kleinen Lampe mit Bastschirm sah es aus, als würde sie lächeln.
    Während Cooper sie betrachtete, zog einer von McCanns Männern Betty an einer Hand durchs Zimmer. Mit der anderen Hand presste sie das kleine Bündel an sich wie bei ihrer ersten Begegnung. Das Bündel zappelte heftig. Bettys Bewegungen hingegen verrieten keinerlei Widerstand; da war nur die Lethargie der ewigen Verliererin. Frauenschicksal, dachte Cooper, als das Trio an ihr und Shaunas toter Hülle vorbeizog. Es war der Grund, warum Cooper immer darum kämpfen würde, für sich selbst sorgen zu können, statt es andere für sie tun zu lassen. Nie im Leben würde sie es sich gestatten, irgendjemandes Beute zu sein.
    Draußen auf dem kleinen verwilderten Rasenstück, das das Haus von der Straße trennte, kniete Freddy, der Physiklehrer, mit dem Rücken zu ihr. Sein rechter Arm hing seltsam schlaff
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