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Ella und die falschen Pusteln

Ella und die falschen Pusteln

Titel: Ella und die falschen Pusteln
Autoren: Carl Hanser Verlag
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schon, das wisst ihr!«, sagte der Lehrer und rieb sich mit dem Zeigefinger erst das linke Auge und dann die Nase.
    Mit dem Zeigefinger die Nase reiben war Notsignal Nummer zwei. Wir schüttelten den Kopf.
    »Sie wollen es ein bisschen spannend machen«, sagte der Lehrer zu den ausländischen Besuchern, die erst miteinander und dann mit dem finnischen Schulrat tuschelten.
    »Machen wir erst noch ein bisschen Erdkunde!«, sagte der Lehrer.
    Dann rollte er die große Weltkarte auf, die er vorher extra eingerollt hatte, damit es im Klassenzimmer schön ordentlich aussah. Es war dann nur leider das Bild mit dem Kojoten, und der Lehrer merkte es nicht, weil er gerade seine Brille abgesetzt und auf den Lehrertisch gelegt hatte. Er musste sich jetzt die ganze Zeit die Augen reiben, weil ihm von dem fiesen Kreidestaub die Tränen kamen.
    »Was ist das?«, fragte der Lehrer und zeigte mit dem Zeigestock ungefähr dorthin, wo die Schnauze des Kojoten war.
    Es war nicht leicht gewesen, aber wir hatten uns die vielen Namen des Zeigestocks gemerkt.
    »Tokio«, antwortete Hanna.
    »Richtig«, sagte der Lehrer, und als wir nach hinten linsten, sahen wir, dass die ausländischen Besucher jetzt kerzengerade auf ihren Stühlen saßen.
    »Und das?« Der Lehrer zeigte ungefähr auf das linke Hinterbein des Kojoten.
    »Berlin«, sagte Timo.
    »Und das?« Der Lehrer zeigte auf den Schwanz des Kojoten.
    »London«, sagte ich.
    »Und das?« Jetzt zeigte der Zeigestock auf den Hintern des Kojoten.
    »Paris«, sagte Hanna.
    »Gut«, sagte der Lehrer.
    Die Besucher saßen immer noch kerzengerade und waren mucksmäuschenstill. Nur die französische Schulrätin rannte aus dem Klassenzimmer. Wir überlegten uns, dass sie wahrscheinlich schnell zu Hause anrufen wollte, um zu erzählen, wie toll es in der finnischen Schule war.
    Die anderen Schulräte blieben im Klassenzimmer, und als wir uns umdrehten, sahen wir, dass der englische Schulrat so sehr lachen musste, dass ihm Tränen über die Wangen liefen wie unserem armen Lehrer. Wir überlegten, dass die Engländer bestimmt ein glückliches Volk waren. Der deutsche und der japanische Schulrat lachten nicht, und die Direktorin hatte schreckliche Runzeln auf der Stirn.
    »Zum Abschluss haben wir uns eine kleine Überraschung ausgedacht«, sagte der Lehrer.
    »Für meinen Geschmack waren das schon Überraschungen genug«, seufzte die Direktorin, aber das fanden wir überhaupt nicht.
    Dann gab der Lehrer ein Zeichen, dass wir aufstehen sollten, und wir standen auf.
    »Wir möchten Ihnen ein Stück aus unserem Nationalepos vortragen, dem Kalevala«, sagte der Lehrer feierlich.
    »Mich verlangt in meinem Sinne.
    Mich bewegen die Gedanken.
    An das Singen mich zu machen.
    Mich zum Sprechen anzuschicken.
    Stammesweise anzustimmen.
    Schwammesweise anzuschwimmen.
    Pekka, sei still!
    Sippensang nun anzuheben.
    Sippensang, zwippenzwang, gleich gibt’s was auf den Zwickel!
    Rambo, sei still!
    Ihr müsst nicht alles nachsprechen!
    Hört mit dem Blödsinn auf!
    Na schön, dann sprecht eben alles nach!«
    Den Schluss ließen wir dann wieder weg, weil er so schwierig war. Trotzdem waren wir stolz, dass wir uns alles so gut gemerkt hatten.
    »Ehrlich gesagt, so hab ich das Kalevala noch nie gehört«, sagte der nette finnische Schulrat zu unserem Lehrer.
    »Es ist eine Übersetzung in die heutige Sprache«, sagte der Lehrer.
    Dann hatte der deutsche Schulrat eine Frage, und der finnische übersetzte:
    »Er möchte wissen, ob das auch ganz bestimmt eine gewöhnliche Schulstunde war.«
    »Eine ganz und gar gewöhnliche«, versicherte der Lehrer.
    Danach redeten der englische, der deutsche und der japanische Schulrat aufgeregt durcheinander.
    »Sie sind, nun ja, ein wenig verwundert«, erklärte der finnische.
    »Und wieso?«, wollte der Lehrer wissen.
    »Sie wundern sich, wie die finnischen Kinder so gute Schüler sein können, wenn es in der finnischen Schule auch nicht anders zugeht als bei ihnen zu Hause.«
    Warum das so war, wusste der Lehrer anscheinend auch nicht.
    »Jedenfalls wollen sie sich herzlich für eure Gastfreundschaft bedanken«, fuhr der finnische Schulrat fort. »Nach dem Besuch bei euch reisen sie in der festen Überzeugung nach Hause, dass auch für die Schulen ihrer Länder noch Hoffnung besteht.«
    Dann wollte uns der englische Schulrat noch etwas sagen, und wir waren schon gespannt, aber gerade als er sich die Tränen abgewischt hatte, ging die Tür auf. Wir dachten, dass vielleicht Pekka
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