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Ella und die falschen Pusteln

Ella und die falschen Pusteln

Titel: Ella und die falschen Pusteln
Autoren: Carl Hanser Verlag
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gerne
davon und in die Ferne.

Das Recht auf einen Lieblingsplatz
    Wir saßen auf einem Felsen im Hof eines alten, leer stehenden Häuschens nicht weit vom Stadtpark. Die Tante, die in dem Häuschen gewohnt hatte, war am Anfang der Sommerferien ausgezogen. Meiner Meinung nach war der Felsen auf ihrem Hof der beste Felsen der Welt. An Sommerabenden war er schön warm, und im Winter konnte man von ihm herunter in den Schnee hüpfen. Außerdem war es ein guter Platz, um eine Krisensitzung abzuhalten.
    »Dem Lehrer geht es richtig schlecht«, sagte Timo.
    »Er hat bestimmt eine ganz fürchterliche Krankheit«, seufzte Hanna.
    »Wahrscheinlich ist sie noch schlimmer als Gürtelrose«, sagte Tiina.
    »Was soll denn an einer Gürtelhose schlimm sein?«, fragte Pekka.
    »Gürtel rose «, sagte ich. »Sie hat Gürtel rose gesagt.«
    »Und was ist das?«, wollte Pekka wissen.
    »Keine Ahnung«, sagte Tiina. »Meine Oma hat das mal gehabt.«
    »Und ist es ansteckend?«, fragte ich.
    »Keine Ahnung«, sagte Tiina.
    »Ich steck dich in die Rosenhecke auf dem Schulhof, wenn du mich mit deinem Gürtel ansteckst«, drohte der Rambo.
    »Wenn sich einer ansteckt, dann bestimmt ich«, beschwerte sich Mika.
    Am Ende wollte sich keiner von uns anstecken, aber viel wichtiger waren natürlich die Sorgen, die wir uns um unseren Lehrer machten.
    »Das Problem ist, dass er wahrscheinlich gar nicht weiß, wie schlecht es ihm geht«, sorgte sich Hanna.
    »Und das ist seltsam«, sagte ich. »Wenn ich die ganzen Sachen hätte: Fingerjucken, Herzsprünge, Sirenengeheul in den Ohren und all so was – da wüsste ich doch, dass ich schwer krank bin.«
    »Und dann behauptet er auch noch, er wäre so glücklich«, erinnerte sich Tiina.
    »Vielleicht ist das gerade das Heimtückische an seiner Krankheit: dass sie so glücklich macht, dass der Patient gar nicht weiß, wie krank er ist«, überlegte Timo.
    Schon der bloße Gedanke an so eine Krankheit ließ uns erschauern. So was war womöglich lebensgefährlich! Wenn man sich zum Beispiel Bauchschmerzen vorstellte, die glücklich machten: Je schlimmer die würden, desto mehr müsste man lachen, und je mehr man lachen müsste, desto schlimmer würden sie. Wir mussten dem Lehrer helfen, das stand fest.
    »Aber wie soll das gehen?«, wollte Hanna wissen.
    »Erst müssen wir herausfinden, was seine Symptome zu bedeuten haben«, sagte Timo, der die tollsten Wörter kennt.
    »Und wie finden wir das heraus?«, fragte ich.
    »Ganz einfach: Wir fragen einen Arzt«, verkündete Timo.
    Genau da sahen wir den Lehrer kommen. Er führte seine Hunde Koj und Ote aus. Das heißt, genau genommen sind sie keine Hunde, sondern Halbkojoten. Und eigentlich führte der Lehrer auch nicht sie aus, sondern umgekehrt. Jedenfalls kamen sie jetzt als Erste durch die Gartenhecke des Häuschens geschossen und zerrten den Lehrer hinter sich her. Sie kamen direkt zum Fuß unseres Felsens. Wir drückten uns oben ganz flach gegen den Stein, damit sie uns nicht bemerkten, vor allem der Lehrer nicht. Erst wollten wir wissen, was er für eine Krankheit hatte.
    »So«, hörten wir ihn zu Koj und Ote sagen, »dann macht mal euer Geschäftchen. Ihr mögt den Felsen, stimmt’s? Es ist euer Lieblingsplatz, hab ich recht? Ich mag ihn auch, wisst ihr: ein Felsen auf einem netten Hof, ein altes Häuschen aus Holz, was will man mehr! Jeder sollte das Recht auf einen Lieblingsplatz haben, Menschen genauso wie Tiere, hab ich recht, Jungs? Seht ihr, da wären wir wieder mal der gleichen Meinung.«
    »Der gleichen Meinung worüber?«, hörten wir eine tiefe Stimme fragen und waren natürlich verdutzt. Wir hatten gar nicht gewusst, dass die Hunde des Lehrers sprechen konnten. Aber mindestens einer von ihnen konnte es. Vielleicht Koj?
    »Über den Felsen hier«, sagte der Lehrer.
    »Über den kann man eher geteilter Meinung sein«, hörten wir eine andere Stimme sagen.
    Anscheinend sprach Ote auch.
    »Er steht nämlich im Weg«, sagte Koj.
    »Und darum muss er weg«, sagte Ote.
    »Das soll jetzt ein Scherz sein, oder?« Die Stimme des Lehrers klang verwundert. Vielleicht hatte er bisher auch nicht gewusst, dass Koj und Ote sprechen konnten. Jedenfalls fanden wir es witzig, dass der Lehrer gerade noch geglaubt hatte, dass die Hunde den Felsen genauso mochten wie er, wo sie ihn in Wirklichkeit weghaben wollten.
    »Wir machen keine Scherze.«
    »Dafür ist unser Amt nicht zuständig.«
    »Und wofür ist Ihr Amt zuständig?«, fragte der Lehrer.
    Das
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