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Ella und die falschen Pusteln

Ella und die falschen Pusteln

Titel: Ella und die falschen Pusteln
Autoren: Carl Hanser Verlag
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nagelneuen Auto zum Einkaufen fahre, und Sie wissen ja, wie schnell man sich auf dem überfüllten Parkplatz dort eine Beule einfängt. Natürlich wäre es einfacher, sie ginge gleich zu Fuß, und gesünder wäre es noch dazu, aber mit einer Polizei-Eskorte … Nein?«
    Die Polizisten schüttelten den Kopf: Für so was hätten sie nachmittags leider keine Zeit.
    »Wenn dafür keine Zeit ist, wofür dann?«, schimpfte der Lehrer ihnen hinterher. Dann ging er zum Anmeldeschalter, und wir folgten ihm.
    Als die Anmeldetanten uns sahen, schickten sie uns gleich auf eine Station und hängten ein Schild an die Stationstür:
    Windpocken. Gebt acht auf Kinder!
    Dass wir Windpocken hatten, wunderte uns kein bisschen. Hannas kleine Schwester hatte Windpocken, und Hanna hatte schon erzählt, dass sie unglaublich ansteckend sind. Wegen der Ansteckung musste auch der Lehrer auf der Station bleiben.
    »Moment mal, ich bin doch nicht krank!«, sagte er, als die Krankenschwester ihm ein Krankenhausnachthemd brachte. »Außerdem bin ich nur der Fahrer – ich kenne diese Kinder nicht mal.«
    Die Krankenschwester sagte nichts. Sie zeigte nur auf einen Spiegel, in dem der Lehrer sein rot gepunktetes Gesicht sehen konnte.
    »Ach die?«, sagte der Lehrer mit einem gekünstelten Lachen. »Die … die müssen von den Kindern sein.«
    »Eben«, sagte die Krankenschwester und drückte ihm das Nachthemd in die Hand.
    »Das ist nur Wasserfarbe. Sie haben erst sich angemalt und dann mich. Sehen Sie, nur Farbe!«, sagte der Lehrer und versuchte, sich mit dem Nachthemd die Pünktchen aus dem Gesicht zu rubbeln. Aber es war wie bei uns: Sie blieben.
    »Ist es Ihnen recht, wenn Sie bei den Kindern auf der Station bleiben?«, fragte die Krankenschwester.
    »Nein!«, rief der Lehrer. »Auf keinen Fall! Wer sind diese Kinder überhaupt? Ich kann doch nicht mit wildfremden Kindern auf derselben Station bleiben.«
    Wir machten uns echt Sorgen um ihn. Jetzt schien er auch noch sein Gedächtnis zu verlieren.
    »Mit wildfremden Kindern?« Die Krankenschwester runzelte die Stirn. »An der Anmeldung sagten Sie noch, Sie wären der Klassenlehrer.«
    »Damit werden Sie vor Gericht nicht durchkommen. Sie haben mir meine Rechte nicht vorgelesen!«, schrie der Lehrer, als die Krankenschwester ihn in ein Zimmer schob und die Tür hinter ihm schloss. »Ich habe das Recht, jemanden anzurufen!«, schrie er später noch, aber da hatte uns die Krankenschwester schon unser großes Zimmer auf der anderen Seite des Flurs gezeigt und war im Schwesternzimmer verschwunden.
    Wir standen, jeder mit einem Krankenhaushemd in der Hand, auf dem Flur und schauten uns um. Da sahen wir Pekka. Er hatte das Zimmer neben uns, aber es war ein Einzelzimmer wie das des Lehrers, und es sah auch genauso aus: mit einem Fenster zum Flur, durch das man zu ihm hineinschauen konnte. Außer Pekka waren in dem Zimmer nur ein Bett, ein Nachttisch, ein Tisch und ein Stuhl. Wir mussten lachen, weil das Zimmer ein bisschen wie ein Aquarium aussah, nur viel größer.
    Wir brachten die Nachthemden in unser Zimmer und legten sie auf die Betten, dann gingen wir Pekka begrüßen. Als wir am Zimmer des Lehrers vorbeikamen, mussten wir wieder lachen, weil es natürlich auch wie ein Aquarium aussah. Der Lehrer saß auf seinem Bett und sah wie ein trauriger Karpfen aus.
    Bei Pekka wussten wir erst nicht, was für einem Fisch er ähnlich sah. Timo schlug vor, einem Wels. Hanna meinte, er ähnele mehr einem Kugelfisch, und Tiina sagte, sein Gesichtsausdruck erinnere sie an einen Barsch. Meiner Meinung nach sah Pekka glasklar wie einer von den Putzerfischen aus, die in den Aquarien immer die Scheiben sauber lutschen. So hatte jeder eine Meinung, nur der Rambo drohte, jedem die Flossen einzeln auszureißen, der ihn jemals mit einem Fisch vergleichen wollte, und Mika quengelte, weil er angeblich gegen Fisch allergisch war.
    Das Fenster zu Pekkas Zimmer hatte eine Stelle mit Löchern, durch die man sprechen konnte.
    »Hallo, Pekka!«, probierte Timo, ob Pekka uns hörte.
    »Hallo!«, sagte Pekka.
    »Wusstest du, dass das Gedächtnis von Fischen nur für fünf Sekunden reicht?«, fragte Timo.
    »Ich hab’s mal gewusst, aber wieder vergessen«, sagte Pekka.
    »Und? Haben sie schon was rausgekriegt?«, fragte ich und schaute über den Flur ins Zimmer des Lehrers, der gerade die Laken und Überzüge aus seinem Bett zusammenknotete.
    Wir hofften natürlich sehr, dass die Ärzte schon rausgekriegt hatten, was Pekka fehlte.
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