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Ella und die falschen Pusteln

Ella und die falschen Pusteln

Titel: Ella und die falschen Pusteln
Autoren: Carl Hanser Verlag
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schon auf morgen und die ganz gewöhnliche Schulstunde, die bestimmt toll wurde. Die Gäste würden staunen, und unser Lehrer würde der König der Lehrer werden, da waren wir uns ganz sicher.

Der wichtigste Tag meines Lebens
    »Ich bin nervös«, sagte der Lehrer.
    »Wegen dem Allergietest?«, fragte seine Frau.
    Tatsächlich hatte der Lehrer gerade besonders viele Pusteln im Gesicht.
    »Nein, wegen morgen«, sagte er. »Wenn die ausländischen Schulräte kommen.«
    Der Lehrer und seine Frau waren auf einem Abendspaziergang mit ihrem Kind und den Hunden und machten gerade am Fuß unseres Felsens halt. Oben auf dem Felsen lagen wir, und es war richtig gemütlich. Nicht weit von der Stelle, wo der Lehrer und seine Familie standen, gab es jetzt ein Schild, darauf stand:
    Schutzgebiet – Nistplatz des Riesenschnabelhörnchens. Kühe sind an der Leine zu führen.
    Die Gelbhelme hatten das Schild aufgestellt, und wir waren gerade noch rechtzeitig gekommen, um ihnen dabei zuzusehen. Der Chef war auch dabei gewesen, aber nicht aus dem Lieferwagen ausgestiegen. Er hatte die ganze Zeit nur wütend Mika angestarrt, der sein Batman-Kostüm anhatte. Wir fanden das seltsam, weil Batman doch eigentlich jedermanns Freund ist.
    »Es wird schon gut gehen«, hörten wir die Frau des Lehrers sagen.
    »Es ist der wichtigste Tag meines Lebens.«
    »Und was ist mit dem Tag, an dem unser erstes Kind geboren wurde?«
    »Ich meinte, es ist der zweitwichtigste Tag meines Lebens.«
    »Und was ist mit dem Tag, an dem wir geheiratet haben?«
    »Der drittwichtigste, einverstanden.«
    »Und was ist mit dem Tag, an dem wir uns zum ersten Mal begegnet sind? Oder dem Tag, an dem du den ersten Kuss von mir bekommen hast? Oder dem, an dem du erfahren hast, dass wir ein zweites Kind bekommen? Oder dem, an dem wir Koj und Ote zu uns genommen haben?«
    »Sagen wir so: Morgen ist einer der wichtigsten Tage meines Lebens.«
    »Heute hast du übrigens Staubsaugtag, der ist auch wichtig.«
    »Und auf jeden Fall bin ich nervös.«
    »Es wird schon gut gehen. Ich bin stolz auf dich.«
    »Wirklich?«
    »Ja. Du bist ein guter Lehrer und außerdem ein guter Mensch.«
    Aber nicht nur der Lehrer war nervös, wir waren es auch. Wir wollten natürlich, dass alles gut ging und der Lehrer alles so hinkriegte, wie er wollte. Schließlich war es unser Lehrer, der dann der König der Lehrer werden würde. Wir nahmen uns vor, alles zu geben, damit die ausländischen Besucher sahen, wie zivilisiert wir waren.
    »Wusstest du übrigens, dass genau hier ein Hochhaus gebaut werden sollte?«, fragte die Frau des Lehrers.
    »Ja«, sagte der Lehrer.
    »Und wusstest du, dass es jetzt doch nicht gebaut werden darf, weil sie den Felsen hier zum Schutzgebiet erklärt haben?«
    »Nein«, sagte der Lehrer.
    »Aber du weißt, dass das alte Haus jetzt zum Verkauf steht? Es heißt, man kann es günstig bekommen, weil niemand in einem Haus wohnen will, auf dessen Hof der Nistplatz eines Riesenschnabelhörnchens liegt.«
    »Ach?«, sagte der Lehrer.
    Danach war es eine Weile still. Wir hörten nur, wie Koj und Ote den Fuß des Felsens beschnupperten und das Kind des Lehrers auf dem Hof herumwuselte.
    Dann hörten wir den Lehrer seufzen.
    »Ich mag das Häuschen schon immer«, sagte die Frau des Lehrers. »Und der Felsen ist mein Lieblingsplatz. Es wäre schön, hier zu wohnen.«
    »Dazu fehlt uns das Geld«, sagte der Lehrer.
    »Dann lass uns das Auto verkaufen, wir brauchen es nicht«, sagte seine Frau.
    Dazu sagte der Lehrer nichts. Wir hörten ihn nur wieder seufzen und nach einer Weile sagen:
    »Und was, wenn ich gegen Halbkojoten allergisch bin?«

Eine ganz gewöhnliche Schulstunde
    Der weiße Kittel des Lehrers sah aus wie frisch gewaschen, ohne einen einzigen Wasserfarbenklecks. Wahrscheinlich hatte ihn die Frau des Lehrers gewaschen. Und wahrscheinlich hatte sie ihm auch den Kopfschmuck versteckt, sonst hätte er ihn bestimmt getragen. Der Lehrer hatte ihn am Morgen nirgends gefunden, obwohl er ihn am Tag zuvor extra mit glatt gestrichenen Federn auf den Flurtisch gelegt hatte. So hat er es uns jedenfalls später erzählt.
    Es waren vier ausländische Schulräte, die uns besuchen kamen. Der japanische hatte schwarze Haare, und der deutsche hatte große Hände. Der französische war in Wirklichkeit eine Schulrätin in einem schönen Kleid, und der englische hatte große Zähne. Außerdem war der nette finnische Schulrat dabei, der seinen Kindern immer so leckere Schinkennudeln mit
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