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Elfenblick

Elfenblick

Titel: Elfenblick
Autoren: Katrin Lankers
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mit. Den leeren Teller und die Tube Mayo ließ sie auf der Arbeitsplatte stehen.
    Mageli sprang die Treppe ins Obergeschoss hoch, immer zwei Stufen auf einmal. Am Treppenabsatz schaute sie sich schnell um. Die Türen zu den Zimmern ihrer Brüder standen offen. Das kleinere bewohnte Jost Junior. Es war ordentlich aufgeräumt, das Spielzeug in Kisten verstaut, die Bücher in den Regalen und auf dem Schreibtisch, das Bett gemacht. Dort hatte Linda morgens gewirbelt. Das größere Zimmer teilten sich Theo und Paul, bis hierhin hatte ihre Mutter es wohl nicht mehr geschafft. Der Boden war übersät mit Legosteinen und Modellautos, an den Wänden hingen Poster mit den Spielern ihrer Lieblingsfußballteams.
    Bis zur Geburt der Jungen hatte das Zimmer Mageli gehört. Sie erinnerte sich noch an eine rosafarbene Tapete und ein Regal voller Puppen. Wo waren eigentlich all die Puppen abgeblieben, als Mageli in das Zimmer im Keller umgezogen war?
    Die einzige geschlossene Tür führte zum Schlafzimmer ihrer Eltern. Mageli zögerte, doch dann ging sie hinein. Ihre Füße versanken sofort in dem weichen Teppich. Ups! Sie hatte vergessen, ihre Schuhe im Flur auszuziehen, und die Sohlen hinterließen staubige Abdrücke in dem hellen Teppichboden. Egal. Durch das Fenster fiel die Sommersonne hell ins Zimmer, und einzelne Staubflocken tanzten in den Strahlen. Wenn Linda das sehen könnte, würde sie sofort einen Staublappen holen! Die Decken auf dem breiten Ehebett waren glatt gezogen, die Kissen aufgestellt und mit einem Handkantenschlag in Form gebracht. Das Schlafzimmer wirkte so aufgeräumt, als wollte Linda sogar in diesem Raum für einen überraschenden Besuch gewappnet sein. Mageli grinste. Kaum vorstellbar, dass ihre Mutter die Wochen oder Monate, in denen Jost für einen Auftrag in einer anderen Stadt unterwegs war, nutzte, um hier einen Liebhaber zu empfangen.
    Der Schrank wäre jedenfalls groß genug, um einen Lover zu verstecken, wenn Paps überraschend nach Hause käme, dachte Mageli und kicherte nervös. In diesem Schrank bewahrte ihre Mutter alle wichtigen Unterlagen auf. Mageli öffnete die rechte Schranktür, und der Geruch von Mottenkugeln schlug ihr entgegen. In Reih und Glied hingen dort Josts Anzüge, die er so gut wie nie trug. Daneben reihten sich Winterjacken und Mäntel an der Stange auf und warteten auf die kalte Jahreszeit. Mageli ging in die Hocke und zog eine durchsichtige Plastikkiste aus dem Schrank. Sie griff noch einmal in den Schrank und erwischte zwei Aktenordner. Mit dem ausgestreckten Arm tastete sie in den hinteren Ecken, fand aber nichts weiter. Sie hockte sich auf den Boden und öffnete die Kiste.
    Zuoberst lagen Zeugnisse, ihre eigenen und die ihrer Brüder. Mageli überflog sie nur. Sie kannte ihre eigenen durchschnittlichen Noten zur Genüge, die ihrer Brüder interessierten sie nicht. Sie legte die Blätter, die alle einzeln in Klarsichthüllen gepackt waren, zur Seite. Darunter fand sie eine Schicht Briefe und Karten. Nichts Spannendes, die üblichen Glückwünsche zum Geburtstag und Grüße zu Weihnachten. Warum hob ihre Mutter so etwas bloß auf? Mageli schob die Umschläge mit beiden Händen zusammen und legte den Stapel zu den Zeugnissen. Es folgten zwei Fotoalben, die Mageli rasch durchblätterte. Babybilder von allen vier Kindern. Mageli konnte sofort erkennen, auf welchem der Bilder sie zu sehen war. Nicht nur, dass sie bereits als Baby weißblonde Haare gehabt hatte, während ihre drei Brüder mit dunklen Locken zur Welt gekommen waren. Zudem grinsten diese drei Babys stets in die Kamera, als bekämen sie dafür einen Preis, nur das blonde schaute immer ein bisschen kritisch. Was wollt ihr von mir? , schien es zu fragen.
    Am Boden der Kiste entdeckte sie einige gemalte Kinderbilder. Mutter, Vater, Kind, Kind, Kind und Kind. Darüber eine dicke gelbe Sonne, der der Maler einen großen lachenden Mund ins runde Gesicht platziert hatte. Ein grüner Rasen, riesige Blumen und ein Haus im Hintergrund. Das große Kind mit den langen gelben Haaren stand etwas abseits.
    Genug, beschloss Mageli. Sie war auf der Suche nach etwas anderem. In umgekehrter Reihenfolge stopfte sie die Sachen wieder in die Kiste, verschloss diese und schob sie zurück in den Schrank. Blieben noch die beiden Ordner. Mit dem ersten war sie schnell durch. Die abgehefteten Zettel hatten alle ausschließlich mit dem Haus zu tun, das ihre Eltern kurz vor Magelis Geburt gekauft hatten. Im zweiten Ordner wurde sie
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