Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ach, du faules Ei

Ach, du faules Ei

Titel: Ach, du faules Ei
Autoren: Harald Tonollo
Vom Netzwerk:
Ein neuer Wohnwagen
     
    Das Grinsen des gut gelaunten Autoverkäufers reichte von einem Ohr zum anderen. »Unser Luxusmodell!« Er strahlte und streckte Frau Rottentodd seine speckige Pranke entgegen.
    »Ein guter Kauf. Da kann man nur gratulieren.«
    Prospera Rottentodd reichte ihm ihre dürre Hand und sagte: »Mein Mann und ich holen den Wohnwagen morgen ab. Schlagen Sie bis dahin doch bitte einige Dellen hinein und streichen Sie ihn schwarz an.«
    Während Patrizius Rottentodd zustimmend nickte, entgleisten dem Verkäufer die Gesichtszüge. Er ließ Frau Rottentodds Hand los und lächelte unsicher. Dann fing er plötzlich laut an zu lachen. »Sie haben Humor, haha! Dellen! Haha, gelungener Scherz, meine Teure!«
    »Sie verstehen nicht«, erwiderte Herr Rottentodd. »Wir möchten die Luxusausführung in Schwarz und mit Dellen!«
    Das Lachen des Wohnwagenverkäufers erstarb. »Ich … äh …«, suchte er nach Worten.
    »Ist das bis morgen möglich?«, hakte Frau Rottentodd nach.
    »Nein!«, erwiderte der Autoverkäufer energisch. »Morgen nicht, übermorgen nicht und überhaupt nicht!« Seine Augen weiteten sich vor Empörung. »Ich ruiniere doch nicht freiwillig meinen guten Ruf!«
    »Wie schade!«, meinte Herr Rottentodd. »Dann kaufen wir den Caravan eben so, wie er ist.« Er wandte sich seiner Frau zu. »Dein Cousin Debilius wird wohl die Verschönerungsarbeiten vornehmen müssen, meine kleine Dornenwarze. Ich hole jetzt den Leichenwagen.«

     
    Frau Rottentodd nickte, während der Wohnwagenverkäufer Herrn Rottentodd mit offen stehendem Mund hinterherblickte.
    Debilius lag träge zwischen zwei großen Disteln im Garten der Rottentodds und schaute Polly, Pit, Pampe und Palme gelangweilt beim Aufbau eines Zelts zu.
    »Das hier ist die Querstange!« Pampe hielt eine aus drei Teilen zusammengesteckte Stange wie einen Speer in der Hand.
    »Oh nein, Bruderherz!«, widersprach Polly ihm. »Die muss in das obere linke Eckteil und führt dann nach unten. Das sieht man doch!«
    »Habt ihr ’nen Knick in der Optik?«, mischte sich Palme ein.
    »Die Stange ist das hintere Mittelteil!«
    »Das hintere Mittelteil«, äffte Pampe seinen Zwillingsbruder nach. »Ich kann dir mal in dein hinteres Mittelteil …«
    »Vielleicht ist es ja auch der Schornstein«, unterbrach Pit die drei scheinbar teilnahmslos.
    Polly, Pampe und Palme drehten ihm gleichzeitig die Köpfe zu, sahen sich an und prusteten los.
    »Mein stets hilfsbereiter Klassenkamerad Pit hat wieder mal recht«, gab Polly lächelnd zu. »Wir benehmen uns schon so kindisch wie die Erwachsenen.«
    »Die Stange gehört zum Vordach«, sagte Debilius, der sich auf die Seite gedreht hatte und seinen Kopf mit der Hand abstützte.
    Pampe ließ die Stange mit einem lang gezogenen Stöhnen auf den Boden fallen.
    In diesem Moment hörten sie die quäkende Hupe des Leichenwagens.
    »Der Wohnwagen ist da!«, rief Polly und stürmte los. Sie sprang über Debilius, raste quer über die Wiese … und blieb mit ihren Jeans an einem Dornengestrüpp hängen.

     
    Für ihre Familie gab es nichts Schöneres als den steinigen, von Unkraut überwucherten Garten, den sie samt Haus, Gärtner,Butler, Köchin, Hund und dem Zauberbuch Magia Eins erst vor wenigen Wochen von Onkel Deprius geerbt hatten.
    Pollys Eltern Prospera und Patrizius und die Zwillinge Pampe und Palme liebten alles Dunkle, Alte und Stachelige. Das war nicht verwunderlich, denn sie stammten von Hexen, Zauberern und allerlei anderen Wesen ab – wobei sie ihre magischen Fähigkeiten im Laufe der letzten Jahrzehnte verloren hatten. Nur Polly war aus der Art geschlagen. »Eine Laune der Natur«, wie ihre Mutter zu sagen pflegte. Polly teilte nicht die Essensvorliebe der Rottentodds für Kakerlakeneintopf, Madenpudding oder Quallensuppe. Sie konnte nicht im Dunkeln sehen und würde auch nicht wie der Rest der Familie 800 Jahre alt werden. Sie war eben ein ganz normaler Mensch!
    Laut fluchend befreite sich Polly von den Dornen und stürzte hinter Pampe und Palme her zur Vorderseite des Hauses. Pit trottete den staubigen Gartenweg entlang.
    Debilius drehte sich wieder auf den Rücken und schob seine Sonnenbrille von der Stirn auf die Nase … und wieder zurück. Er fuhr sich mit den Händen durch die schwarzen fettigen Haare und war mit sich und der Welt zufrieden. Das Leben bei seinen Verwandten war so ganz nach seinem Geschmack. Bis vor Kurzem hatte er noch bei seinem grauenhaften Vater gewohnt. Doch nachdem dessen Versuch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher