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Elfenblick

Elfenblick

Titel: Elfenblick
Autoren: Katrin Lankers
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versuchte den Eindruck zu erwecken, es sehr eilig zu haben.
    »Sie waren wieder da«, rief Frau Matuschek.
    »Ach, wirklich, und was wollten sie dieses Mal?« Mageli versuchte vergeblich, ihre Antwort nicht ironisch klingen zu lassen. Frau Matuschek erhielt seit Jahren Besuch von Unbekannten, die außer ihr niemand sehen konnte.
    »Sie haben nach dir gefragt.«
    »Was wollten sie denn wissen?« Mageli wäre es lieber gewesen, Frau Matuscheks Hirngespinste hätten kein Interesse an ihr gezeigt. Aber es war nicht das erste Mal, dass die alte Frau ihr berichtete, ihr geheimnisvoller Besuch habe etwas über Mageli wissen wollen. Mageli hatte den Verdacht, dass die Alte sie damit neugierig machen wollte, um das Gespräch mit ihr ein wenig zu verlängern.
    »Oh, wie immer. Sie wollten wissen, ob mir in letzter Zeit etwas Besonderes an dir aufgefallen ist. Ob du dich irgendwie verändert hast. Hast du, Mädchen?«
    »Wohl kaum. Wäre ja auch zu schön«, antwortete Mageli. Und dann fügte sie schnell hinzu: »Ich muss jetzt leider weiter. Meine Mutter wartet bestimmt schon auf mich.«
    »Aber die ist doch gar nicht da«, entgegnete Frau Matuschek. »Sie ist vorhin weggefahren und hat die drei Jungen mitgenommen. Zum Einkaufen, glaube ich. So was in der Art hat sie gesagt. Ja, ja, bestimmt. Sie hat noch gefragt, ob sie mir etwas mitbringen soll. Aber das muss sie ja nicht. Dafür kommt ja zweimal die Woche der Niko. Der kauft auch für mich ein, wenn ich etwas brauche. Der ist kräftig, der kann schwere Einkäufe gut tragen. Das muss ja nun nicht deine Mutter erledigen, wo doch der Niko morgen kommt. Deine Mutter ist so eine nette Frau, immer zu einem Pläuschchen aufgelegt.«
    Das kommt davon, wenn man zu viel Zeit hat , dachte Mageli, aber sie sagte es nicht laut. Stattdessen suchte sie nach einer anderen Ausrede. »Ich muss aber mal dringend zur Toilette«, war das Beste, was ihr einfiel. Nicht besonders geistreich, aber gut genug für Frau Matuschek. Dass ihre Mutter nicht zu Hause war, verstärkte nur ihren Wunsch, so schnell wie möglich heimzukommen.
    Sie parkte das Rad in der Garage und ging durch die Verbindungstür, die immer offen stand, ins Haus. Zielstrebig steuerte sie in die Küche. Am Kühlschrank klebte ein Zettel: »Finger weg von den Würstchen.«
    Würstchen, super!, dachte Mageli. Sie nahm den Teller mit den zehn Würstchen – für jeden zwei – und eine Tube Mayo aus dem Kühlschrank. Aus dem Brotkorb holte sie einen Stapel Toastscheiben und deponierte alles auf der Arbeitsplatte. Sie ordnete drei Würstchen auf einer Scheibe Toast an, drückte dick Mayo darüber und legte eine zweite Scheibe Toast darauf. Auf die gleiche Art bereitete sie noch zwei weitere Sandwichs zu, nahm eins davon in beide Hände und schob es so weit wie möglich in den Mund. Weiches Brot, knackige Würstchen, matschige Mayo, perfekt.
    »Meine kleine Raupe Nimmersatt«, nannte ihr Vater sie liebevoll schon seit ihrer Kindheit. Bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit erzählte Jost, dass Mageli schon damals ständig gegessen habe. Seine Lieblingsanekdote ging so: »An deinem fünften Geburtstag hat deine Mutter ein ganzes Blech voll Muffins gebacken. Wir hatten fünf Kinder und ihre Mütter eingeladen. Deine Mutter hat die Muffins in der Küche auf dem Kuchengitter zum Abkühlen stehen lassen. Dann ging sie ins Esszimmer, um den Tisch zu decken. Als sie wieder in die Küche kam, hast du auf dem Boden gesessen.« An dieser Stelle legte er immer eine kleine Kunstpause ein. »Du hattest das Kuchengitter heruntergezogen und alle Muffins bis auf den letzten Krümel vertilgt.« Der letzte Satz ging stets in Josts glucksendem Lachen unter.
    Mageli fand die Geschichte nicht witzig. Sie erinnerte sich gut an das folgende Jahr, als ihre Mutter beschlossen hatte, Mageli sei zu groß für Kindergeburtstage. Mit sechs Jahren! Seither hatte es für sie keine Geburtstagsfeier mit Kuchen und Gästen mehr gegeben.
    Shakespeare strich um Magelis Beine und maunzte fordernd. In ihrem Kopf sah sie plötzlich ein Bild von Shakespeare, dem ein halbes Würstchen aus der Schnauze baumelte.
    »Willst du auch eins?«, fragte sie den Kater und gab sich selbst die Antwort: »Na klar, was für eine Frage.«
    Sie nahm die letzte Wurst vom Teller und hielt sie dem Kater vor die Nase. Shakespeare schnappte schnell zu und verzog sich mit seiner Beute unter die Eckbank. Mageli verschlang das zweite Sandwich im Eiltempo, das dritte nahm sie für den Weg
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