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Elefantengedaechtnis

Elefantengedaechtnis

Titel: Elefantengedaechtnis
Autoren: António Lobo Antunes
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unversehrt bei der Notaufnahme angelangt, einer Tür aus trübem Glas, die ihm wie die Stofffahne bei der Ankunft eines Radrennens winkte, als ein perverser
Finger ihn herrisch zwischen den Schulterblättern berührte, zwei herausragenden, dreieckigen Knochen, die aufgrund ihrer Form seine Vergangenheit als Engel bezeugten, die er aus bescheidener Scham wegen seiner göttlichen Abstammung unter dem Tuch des Jacketts verbarg, ähnlich wie die Hochwohlgeborenen in gönnerhaft sozialem Zugeständnis an eine Welt voller Silvas am Ende eines Mittagessens rülpsen.
    – Mein Bester, fragte eine Stimme hinter seinem Rücken, was halten Sie von der Verschwörung der Kommunisten?
    Die Polizisten, die damit beschäftigt waren, den Notariatsbürovorsteher vorsichtig zu transportieren wie Umzugspacker ein kostbares Piano, das ohne Unterlaß die von falschen Tönen durchlöcherte Sonatine seines Größenwahns spielt, verließen den Arzt niederträchtigerweise beim Archiv, wo eine kurzsichtige Dame lebte, deren Brillengläser dick wie Briefbeschwerer waren und ihre Augen zu gigantischen, haarigen Insekten mit riesigen Wimpernbeinen vergrößerten, und lieferten ihn einem kurzgewachsenen Kollegen aus, der im Cheviotteich seines Mantels trieb und seinen Tirolerhut fest auf den Kopf gerammt hatte wie einen Korken, den man in einen Flaschenhals treibt, um das stürmische Herausdringen der Kohlensäurebläschen seiner Gedanken zu verhindern, was allerdings nicht gelang. Der Kollege brachte den Haken seiner Hand an die Oberfläche, und anstatt um Hilfe zu winken, hängte er sich wie ein ungeduldiger Schiffbrüchiger, der sich aus Versehen an eine blaue Wasserschlange mit weißen Pünktchen klammert, an seine Krawatte, deren Knoten in seiner Faust weich und träge aufging wie ein Schnürsenkel. Der Psychiater dachte, daß ihn an diesem Tag scheinbar alle von einem der letzten Geschenke
trennen wollten, die ihm seine Frau in dem nutzlosen Unterfangen gemacht hatte, sein Aussehen eines in der steifen Pose eines Jahrmarktsfotos eingefrorenen Provinzbräutigams zu verbessern: Seit seiner Jugend besaß er den an die Asymmetrie seiner Gesichtszüge gehefteten unechten, traurigen Ausdruck der toten Verwandten aus den Fotoalben, deren Lächeln vom Jod der Zeit aufgelöst worden war. Meine Liebste, sagte er in seinem Inneren, während er die Krawatte abtastete, ich weiß, daß dies weder Erleichterung bringt noch weiterhilft, aber von uns beiden war ich derjenige, der nicht zu kämpfen gewußt hat: Und ihm fielen die langen Nächte auf dem Strand der zerwühlten Bettlaken ein, seine Zunge, die langsam die Umrisse ihrer Brüste nachzeichnete, die im ersten Licht der Morgenröte von einem Netzwerk von Adern beleuchtet wurden, der am Typhus erkrankte Dichter Robert Desnos, der, als er in einem deutschen Kriegsgefangenenlager im Todeskampf lag, murmelte, Es ist dies mein morgendlichster Morgen, die Stimme von John Cage, der immer wieder sagte, Every something is an echo of nothing, und die Art, wie ihr Körper sich wie eine Muschel öffnete, um ihn zu empfangen, und erbebte wie die von einem unsichtbaren, ruhigen Wind bewegten Nadeln auf den Wipfeln der Kiefern. Der kleine Kollege nötigte ihn, während die Feder auf dem Tirolerhut ausschlug wie der Zeiger eines Geigerzählers, der Erz gefunden hat, an einer Ecke der Wand zu stranden, ein kranker Krebs, gefangen durch die Beharrlichkeit eines hartnäckigen Krabbenfischers. Die Glieder im Mantel hüpften in Brownschen Bewegungen ziellos wie Fliegen in einem Sonnenfleck im Keller umher, die Ärmel vervielfältigten sich in den betroffenen Gesten eines heiligen Redners:

    – Die Kerle machen Fortschritte, was, die Kommunisten? In der vorangegangenen Woche hatte der Arzt gesehen, wie er in der Hocke unter der Tischplatte Mikrophone des KGB suchte, die jederzeit die entscheidenden Botschaften seiner Diagnosen nach Moskau übermitteln würden.
    – Die machen Fortschritte, da können Sie Gift drauf nehmen, meckerte der Kollege und kreiselte vor Erregung. Und diese Verbrecher, die Militärs, das gemeine Volk, die Kirche, keiner rührt sich, die machen sich vor Angst in die Hosen, machen mit, stimmen zu. Was mich betrifft (und meine Frau weiß das), so wird der erste, der mein Haus betritt, einen Schuß aus dem Jagdgewehr zwischen die Hörner kriegen. Aber hallo! Haben Sie schon die Plakate gesehen, die sie im Flur aufgehängt haben, mit dem Bild von Marx, diesem Catitinha der Ökonomie, wie er seinen
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