Elefantengedaechtnis

den Spritzen, verteidigte sie der Arzt. Was soll ich denn mit ihr machen? Außerdem, finden Sie nicht, daß die Vorstellung, Ihr Blut vergossen zu sehen, poetisch ist? Ein Ende wie Cäsar, was wollen Sie mehr?
    Und er fügte mit einem vertraulichen Wispern hinzu:
    – Was halten Sie von gewaltsamem Tod, Oberschwester? Vielleicht gibt man einem Flügel des Krankenhauses Ihren Namen: Schließlich ist ja auch Miguel Bombarda durch einen Schuß gestorben.
    Von weitem schickte ihnen Nélia die obszönste Geste aus ihrem elementaren Repertoire einer Nonnenschule herüber: Ein paar Zeitungen fielen ihr in der Nähe einer Angestellten herunter, die den Boden bohnerte, indem sie eine Maschine lenkte, die die Cousine eines Rasenmähers sein konnte und augenblicklich die Nachrichten mit dem schnurrenden Appetit einer Boa verschlang, drei- oder viermal hustete, Schluckauf bekam und in einer spektakulären Kino-King-Kong-Agonie gegen die Wand gelehnt stehenblieb. Der Napoleon eilte, auf Pantoffeln schlitternd, zu ihr hin wie zu einem kranken Kind: Der Psychiater überlegte noch, ob sie wohl verzweifelt eine Mund-zu-Loch-Beatmung versuchen würde, und drehte ihr, weil ihn dieser Akt widernatürlicher Liebe ärgerte, den Rücken zu.
    – Ist der Polierroboter gut im Bett? fragte er die Krankenschwester, die ohne Smarties wieder zurückkam, in den Fäusten das Tablett ohne den zittrigen Zauber der Pillen.
    – Je besser man die Männer kennt, um so mehr lernt man die Haushaltsgeräte schätzen, war ihre Antwort. Ich lebe in wilder Ehe mit einem Zweiflammenherd, und wir sind glücklich.
Schade ist nur, daß er die stählerne Lunge einer Gasflasche braucht.
    – In einem Irrenhaus, wo sind da die Irren? ließ der Arzt nicht locker. Warum schleppen wir uns hier herum, wir, die wir noch die tägliche Ausgehgenehmigung haben, wenn wöchentlich ein Schiff nach Australien fährt und es Bumerangs gibt, die nicht an ihren Ausgangspunkt zurückkehren?
    – Ich bin zu alt, und Sie sind zu jung, erklärte die Krankenschwester. Und die Bumerangs kehren am Ende immer wieder zurück, auch wenn sie nachts auf Zehenspitzen mit einem leisen, schamhaften Pfeifen daherkommen.
    Zurückkehren, dachte der Psychiater, indem er das Wort langsam wiederholte wie ein Bauer, der nachmittags in einem Kornfeld seine Zigarette dreht, zurückkehren, die Tür mit der literarischen Einfachheit des sanften Wunders öffnen und lächelnd verkünden, Da bin ich wieder. Wie ein Onkel aus Amerika zurückkehren, ein Sohn aus Brasilien, einer, den das Wunder von Fátima geheilt hat, die siegreichen Krücken geschultert, noch von der Vision einer himmlischen Handleserin erleuchtet, die auf der Bühne eines Hohlwegs biblische Tricks geschickt in Szene setzte. Zurückkehren, wie er vor ein paar Jahren aus dem Krieg in Afrika um sechs Uhr morgens zu einem Monat heimlichen Glücks in eine schräge Mansarde zurückgekehrt war, sich von Straße zu Straße im Taxi davon überzeugt hatte, daß sich während seiner Abwesenheit nichts geändert hatte, das Land schwarzweiß mit geweißten Wänden und schwarzgekleideten Witwen, mit Statuen von Königsmördern, die ihre Carbonarierarme auf Plätzen hoben, die zu gleichen Teilen von Rentnern und Tauben bewohnt waren, denen die Freude eines Höhenfluges längst abhanden gekommen war.
Das Gefühl, den Schlüssel verloren zu haben, obwohl er ihn im Handschuhfach des Autos zwischen ölverschmierten Papieren und Röhrchen mit Schlaftabletten verwahrte, ließ ihn die haltlose Angst vollkommener Einsamkeit erleben: Etwas Unbekanntes, das seine Gesten verzerrte, hinderte ihn daran, die Nummer zu wählen, die im Telefonbuch nach seinem Namen stand, und die Frau, die er liebte und die ihn liebte, um Hilfe zu bitten. Die Grausamkeit dieser Unfähigkeit stieg ihm als Säurenebel in die Augen, der genauso schwierig zu unterdrücken war wie der Wirbel eines Rülpsers. Die Finger der Krankenschwester berührten ihn leicht am Ellenbogen:
    – Wahrscheinlich, sagte sie, gibt es immer wieder mal einen Bumerang, der nicht zurückkehrt. Und dennoch gelingt es ihnen, sich an der Oberfläche zu halten.
    Und dem Psychiater war, als hätte er gerade eine Art endgültige Letzte Ölung erhalten.

Als er die Treppen zur Notaufnahme hinunterging, erkannte er in der Ferne, bei dem nach Nagellack riechenden Sakristeihalbdunkel des Büros der Sozialarbeiterinnen, häßlicher, trauriger Kreaturen, die selbst dringend Hilfe benötigten, eine strategisch in den Höhlungen