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Elefantengedaechtnis

Elefantengedaechtnis

Titel: Elefantengedaechtnis
Autoren: António Lobo Antunes
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ungeordnete Gedanken von den Eingeweiden in den Kopf, heftig wie zurückgehaltene Tränen: die Geburt seiner älteren Tochter, die vom Funkgerät silbenweise zu dem Kommando, in dem er sich gerade befand, durchgegeben wurde, das erste goldene Äpfelchen seines Spermas, lange Nachtwachen auf der improvisierten Krankenstation, die er über die Todeskämpfe der Verwundeten gebeugt verbracht hatte, wie er erschöpft hinausging, es dem Fähnrich überließ, das Gewebe zusammenzunähen, um dann draußen unvermittelt eine unendliche Weite unbekannter Sterne zu sehen, während seine Stimme in ihm immer wieder sagte, Dies ist nicht mein Land, dies ist nicht mein Land, dies ist nicht mein Land, die Ankunft des Postflugzeuges und der frischen Lebensmittel jeden Mittwoch, die subtile und unendlich weise Geduld der Luchazi, der Schweiß der Malaria, der die Nierengegend mit Gürteln klebriger Feuchtigkeit bedeckte, seine Frau, die mit dem Baby, das überraschend grüne Augen hatte, aus Lissabon kam, um mit ihm in den Busch zu reisen, ihr beinahe mulattischer Mund, der eßbar auf dem Kopfkissen lächelte. Magische Namen: Quito-Quanavale, Zemza do Itombe, Narriquinha, die Ebene von Cassanje, von den hohen Wimpern der Sonnenblumen bedeckt an Morgen, die rein waren wie Knochen aus Licht, Bailundos, die mit Fußtritten zu den Farmen im Norden getrieben wurden, São Paulo de Luanda, das, an die Muschelschale der Bucht gelehnt, den Stadtteil Areeiro nachahmte. Was weiß dieser Idiot von Afrika, fragte sich der Psychiater, außer den zynischen, dummen, immer wiederholten Argumenten der Acção Nacional Popular und der Priesterseminarsreden
der mentalen Stiefel Salazars, einer als Mann verkleideten Jungfrau ohne Uterus, Sohn zweier Domherren, wie ein Kranker mir einmal erklärt hat, was weiß ich schon, der ich siebenundzwanzig Monate lang auf Kosten der Multinationalen in Angst im Stacheldrahtverhau gelebt habe, ich habe meine Frau beinahe an der Malaria sterben sehen, ich habe das gemächliche Fließen des Dondo erlebt, ich habe eine Tochter im Malanje der Diamanten gemacht, ich habe die kahlen Hügel von Dala-Samba umrundet, die oben mit den Palmentuffs der Gräber der Ginga-Könige bewachsen sind, ich bin mit einer Zwangsuniform auf dem Körper aufgebrochen und zurückgekehrt, was weiß ich von Afrika? Das Bild seiner Frau, die ihn zwischen den Mangobäumen von Marimba erwartete, in denen bis zur Dämmerung unzählige Fledermäuse hausten, tauchte unvermittelt auf wie der plötzliche Schmerz einer heftigen Sehnsucht, die körperlich war wie explodierende Eingeweide. Ich liebe dich so sehr, daß ich dich nicht zu lieben weiß, ich liebe deinen Körper und was in dir nicht dein Körper ist so sehr, daß ich nicht verstehe, wieso wir uns mit jedem Schritt verlieren, wo ich dir mit jedem Schritt begegne, wo ich doch, immer wenn ich dich geküßt habe, mehr geküßt habe als das Fleisch, aus dem du gemacht bist, wo unsere Ehe an Jugend gestorben ist wie andere an Alter, wo in der Zeit nach dir meine Einsamkeit von deinem Duft anschwillt, von der Begeisterung deiner Vorhaben und der Rundheit deiner Hinterbacken, wenn ich vor Zärtlichkeit ersticke, über die ich nicht sprechen kann, hier in diesem Augenblick, meine Liebste, verabschiede ich mich und rufe dich und weiß, daß du nicht kommen wirst, und wünsche mir, daß du kommst, wie der Blinde auf die Augen wartet, die er per Post bestellt hat, von dem einst Molero erzählte.

In der Notaufnahme wirken die Insassen in ihren Schlafanzügen so, als würden sie in der Helligkeit der Fenster wie Unterseereisende zwischen zwei Wassern schwimmen, mit Gesten, die vom tonnenschweren Gewicht der Arzneien verlangsamt sind. Eine Alte im Hemd, die den letzten Selbstporträts von Rembrandt ähnelte, schwebte, einem lahmen Vogel gleich, der den Windschaum seiner Knochen verliert, über ihrem Hocker. Schläfrige Trunkenbolde, die der Tresterschnaps in kaputte Seraphim verwandelte, stolperten durch die Luft: Nacht für Nacht ließen die Polizei, die Feuerwehr oder die Empörung der Familie wie auf einer allerletzten Müllkippe diejenigen hier zurück, die vergebens versuchten, Sand ins Getriebe der Welt zu schütten, indem sie die nachgemachten Stilmöbel ihres Zimmers zertrümmerten und merkwürdige, unsichtbare Tiere fanden, die sich in den Wänden festgesetzt hatten, die Nachbarn mit dem Brotmesser bedrohten oder das kaum merkliche Pfeifen der Marsmenschen hörten, die sich ganz allmählich wie die
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