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Eiszeit

Eiszeit

Titel: Eiszeit
Autoren: Dean R. Koontz
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zuerst den Namen seiner Mutter und seiner Schwester genannt. Er hatte sie immer wieder genannt und untröstlich geweint, bis ein Arzt in ihr Haus gekommen war und ihm ein Beruhigungsmittel verabreicht hatte.
    Immerhin waren die Männer in dem U-Boot unter ihnen Russen und keine Chinesen, und sie waren auch keine Kommunisten mehr. Vielleicht waren sie nie wahre Kommunisten gewesen. Soldaten und Seeleute kämpften schließlich manchmal auch für ihr Land, wenn sie die Leute, die es beherrschten, für Verbrecher und Narren hielten.
    Die Männer unter ihm waren nicht wie die, die seiner Mutter und Schwester Gewalt angetan und sie dann getötet hatten. Es waren andere Menschen in einer anderen Zeit. Man konnte ihnen vertrauen. Er mußte ihnen vertrauen.
    Trotzdem hatte er unendlich mehr Angst vor der Mannschaft der Pogodin als vor allem Sprengstoff auf der Welt.

23:46
     
    »Offiziersmesse an Kapitän.«
    »Ich höre.«
    »Das Steuerbordschott leckt, Herr Kapitän.«
    »Materialverzerrungen?«
    »Nein, Herr Kapitän.«
    »Wieviel Wasser?«
    »Ein halber Liter, Herr Kapitän.«
    Probleme sowohl im Torpedoraum als auch in der Offiziersmesse. Sie mußten so schnell wie möglich von hier verschwinden.
    »Stethoskop?« fragte Gorow.
    »Jede Menge Lärm hinter dem Schott, Herr Kapitän, aber keine üblichen Belastungssignaturen.«
    »Wir werden in fünf Minuten unterwegs sein.«

23:47
     
    Als das U-Boot fast in Reichweite war, fiel Harry ein weiterer Grund zur Hoffnung ein. Leutnant Timoschenko zufolge hatten englische Taucher in Alverstoke, Hampshire, und französische Taucher im Marseille in simulierten Tauchkammern mit moderner Taucherausrüstung Tiefen von fünfzehnhundert Fuß erreicht.
     
    Natürlich verhinderte dieser einschränkende Zusatz, daß die Daten so beruhigend waren, wie er es gern gehabt hätte: ›simulierte Tauchkammern‹.
    Das hier war kein Test.
    Der Tunnel wurde breiter. Die Eiswand zog sich zurück, bis sie gar kein Licht mehr reflektierte.
    Er hatte das Gefühl, von einer riesigen Weite umgeben zu werden. Das Wasser war klarer als oben, wahrscheinlich, weil sich weniger Eispartikel darin befanden. Nach ein paar Sekunden sah er unter sich farbige Lichter, zuerst grüne, dann rote. Dann enthüllte seine Lampe eine große, graue Form, die in dem Abgrund unter ihm schwebte.
    Selbst als er die Finne der Ilja Pogodin erreicht hatte und sich an den Radarmast lehnte, war Harry noch nicht überzeugt, daß sie den gewaltigen Druck überleben würden. Er befürchtete, daß seine Lungen mit der Kraft von Granaten explodieren und seine Blutgefäße wie Luftballons zerspringen würden. Er wußte nicht viel über die Einwirkung hohen Drucks auf den Körper: vielleicht würden seine Lungen gar nicht explodieren, aber die Vorstellung war überzeugend.
    Überdies gefiel Harry nicht, wie das U-Boot aussah. Als er darauf wartete, daß die anderen zu ihm aufschlossen, blieb ihm fast eine Minute Zeit, das Boot zu betrachten. Alle Fahrtlichter leuchteten: rot auf der Backbord-, grün auf der Steuerbordseite, weiß auf der Finne, ein gelbes Schleusenlicht... Vielleicht wurden seine Gedankenprozesse von dem Druck oder der Erschöpfung beeinträchtigt, aber die Pogodin kam ihm zu bunt vor, um echt zu sein. Nach so viel Dunkelheit erinnerte das Schiff ihn an einen verdammten Spielautomaten oder einen Weihnachtsbaum. Es kam ihm empfindlich und zerbrechlich vor, ein Gebilde aus dunklem Zellophan.

23:49
     
    Rita rechnete damit, daß ihre Furcht nachlassen würde, als sie das untere Ende des Tunnels erreichte und nicht mehr auf allen Seiten von Eis umgeben war. Doch die Eisinsel war noch über ihr, so hoch wie ein siebzigstöckiges Gebäude und fast dreizehnhundert Meter lang, so gewaltig wie mehrere Häuserblocks mit Wolkenkratzern auf Manhattan. Sie wußte, daß sie Auftrieb hatte und nicht auf sie fallen und sie in den Meeresboden treiben würde, doch sie war entsetzt von dem Gedanken, daß sie über ihr hing, und wagte nicht aufzuschauen.
     
    Es ist kalt im Audi, weil der Motor ausgefallen ist und keine Wärme mehr durch die Belüftungsschlitze kommt. Schnee und zerschmetterte Baumteile haben sich durch die zertrümmerte Windschutzscheibe auf die Vordersitze ergossen, bedecken das Armaturenbrett und haben ihre Eltern bis zu den Hüften begraben. Sie sitzen stumm im Schnee, beide tot, und während die Zeit verstreicht, wird Rita klar, daß sie nur in ihrem Wintermantel nicht überleben kann, bis Hilfe kommt. Die Lampen im
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