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Eiszeit

Eiszeit

Titel: Eiszeit
Autoren: Dean R. Koontz
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Armaturenbrett leuchten, und auch die Innenleuchte ist an, so daß es im Audi nicht dunkel ist; sie sieht, daß der Schnee auf allen Seiten des Wagens gegen die Fenster drückt. Sie ist ein intelligentes Mädchen und weiß daher, daß der Schnee vielleicht dreißig Meter hoch ist, viel zu hoch, als daß sie sich hindurchgraben und allein entkommen könnte. Die Retter werden lange brauchen, um sich zu ihr durchzuarbeiten. Sie benötigt den schweren Mantel ihres Vaters, und nachdem sie gefährlich lange gewartet hat, wappnet sie sich gegen das, was sie sehen wird, und kriecht auf den Vordersitz. Eiszapfen aus scharlachrotem Blut hängen aus den Ohren und Nasenlöchern ihres Vaters, und die Kehle ihrer Mutter wird vom zersplitterten Ende eines Astes durchbohrt, den die Lawine durch die Windschutzscheibe getrieben hat. Ihre Gesichter sind blaugrau. Da der Frost sie bereits überzogen hat, sind ihre geöffneten Augen völlig weiß. Rita wirft einen Blick auf sie, nur einen, hält dann den Kopf gesenkt und schickt sich an, den Schnee von ihrem Vater zu graben. Sie ist erst sechs Jahre alt, ein reges Kind und stark für ihr Alter, aber noch so klein. Würden die Arme ihres Vaters noch in den Ärmeln stecken, wäre es ihr nicht möglich, den Mantel von seiner steif werdenden Leiche herunterzubekommen. Doch während der Fahrt war er aus dem Mantel geschlüpft. Nun sitzt der Oberkörper darauf, lehnt sich gegen ihn, und mit viel Stemmen und Zerren gelingt es ihr, ihn unter ihm hinwegzuziehen. Sie klettert mit ihrer Beute auf den Rücksitz, wohin der Schnee nicht vorgedrungen ist, rollt sich zusammen, zieht den Mantel eng um ihren Körper und wartet darauf, daß Hilfe eintrifft. Sie hält sogar den Kopf unter dem Mantel, fängt nicht nur ihre Körperwärme, sondern auch ihren Atem unter dem Seidensatinfutter, denn ihr Atem ist warm. Nach einer Weile fällt es ihr schwer, wach zu bleiben, und sie treibt aus dem kalten Wagen zu noch kälteren Orten in ihrem Verstand. Jedesmal, wenn sie sich verschwommen aus ihrem gefährlichen Schlaf erhebt, ist sie benommener als zuvor, doch sie erinnert sich daran, auf die Geräusche der Retter zu hören. Und nach einer sehr, sehr langen Zeit hört sie statt dessen — oder glaubt es zumindest — Bewegungen auf dem Vordersitz: das Krachen von Eis, als ihr toter Vater und ihre tote Mutter es leid sind, dort zu sitzen, und sich entschließen, zu ihr auf die Rückbank zu kriechen. Krach: das Geräusch, mit dem die blutigen Eiszapfen aus seinen Nasenlöchern fallen. Erneut das Krachen von Eis: Da kommen sie. Das schreckliche Krachen von Eis: Sie müssen auf den Rücksitz des Wagens klettern. Das Krach-krach-krach von Eis ... und flüstert da eine Stimme ihren Namen, eine ihr wohlbekannte Stimme? Und eine kalte Hand greift unter den Mantel, neidisch auf ihre Wärme ...
     
    Jemand berührte Rita, und sie schrie entsetzt auf, aber zumindest trieb der Schrei den Audi und die Lawine in die Vergangenheit zurück, wohin sie gehörten.
    Pete war auf ihrer einen Seite, Franz auf der anderen. Offensichtlich war sie nicht mehr weitergeschwommen, und die beiden hielten sie an den Armen und legten mit ihr in der Mitte die paar letzten Faden zurück. Das U-Boot schwebte direkt über ihr. Sie sah, daß Harry sich am Radarmast über der Finne festhielt.

23:50
     
     
    Harry erschauderte vor Erleichterung, als er Rita zwischen Pete und Franz sah, und ein Beben der Hoffnung durchflutete ihn.
     
    Halb kroch er, halb schwamm er die Finne entlang, als die anderen sechs sich zu ihm gesellt hatten, stieg die kurze Leiter zur Brücke hinab, und zog sich an der Reihe der Klampen zu den vorderen Deckaufbauten entlang. Wenn er vom Schiff getrieben wurde, würde er es kaum problemlos wieder einholen können, denn die Strömung von neun Knoten beeinträchtigte ihn nicht genauso wie das hundert Meter lange U-Boot.
    Sein Verhältnis zu dem Schiff ähnelte dem eines Astronauten zu dessen Fahrzeug während eines Weltraumspaziergangs: Obwohl beide sich mit beträchtlicher Geschwindigkeit bewegten, herrschte eine Illusion von Stillstand vor.
    Vorsichtig, aber im Bewußtsein, daß es höchste Zeit war, zog er sich weiterhin Handgriff um Handgriff an den Klampen entlang und suchte dabei nach der Luke der Luftschleuse, die Timoschenko ihm über Funk beschrieben hatte.

23:51
     
    Eine Alarmsirene jaulte.
     
    Die grünen numerischen und graphischen Darstellungen verschwanden von dem mittleren Computermonitor direkt über dem
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