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Eiszeit

Eiszeit

Titel: Eiszeit
Autoren: Dean R. Koontz
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sehe, was ihr beide, du und Harry, gemeinsam habt, und es ist einzigartig, mehr, als du und ich je hatten oder haben könnten. Aber ich würde gern euer Freund sein.
    Er hoffte bei Gott, daß er lange genug leben würde, um das alles sagen zu können.

23:40
     
    Brian schwamm an dem Kabel entlang.
     
    Er machte sich keine großen Sorgen mehr wegen der über ihnen tickenden Bomben. Er war zunehmend überzeugt, daß er und die anderen das U-Boot erreichen und die Explosionen überleben würden. Unter den Qualen der Besessenheit, vor denen Rita ihn gewarnt hatte, zerbrach er sich stattdessen über das Buch den Kopf, das er schreiben wollte.
    Das Thema würde auf jeden Fall Heldentum sein. Er hatte mittlerweile erkannt, daß es zwei grundlegende Arten davon gab. Heldentum, das gesucht wurde, wenn jemand auf einen Berg kletterte oder in einer der Arenen von Madrid einen wütenden Stier herausforderte — und weil man seine Grenzen kennen mußte, war dieser gesuchte Heldenmut wichtig. Er hatte jedoch einen viel geringen Wert als Heldentum, das man nicht gesucht hatte. Harry, Rita und die anderen hatten ihr Leben wegen ihrer Arbeit aufs Spiel gesetzt, weil sie daran glaubten, daß das, was sie taten, einen Beitrag zum Wohl der Menschheit leisten würde, und nicht, weil sie sich selbst auf die Probe stellen wollten. Doch obwohl sie es abstreiten würden, waren sie tagtäglich Helden. Sie waren Helden auf die Art und Weise, auf die Polizisten und Feuerwehrleute Helden waren, auf die Millionen von Müttern und Vätern stille Helden waren, weil sie die gewaltige Verantwortung auf sich nahmen, ihre Familien zu unterstützen und ihre Kinder zu erziehen, gute Staatsbürger zu werden, wie Priester Helden waren, weil sie es wagten, in einer Welt von Gott zu sprechen, die seine Existenz in Zweifel zog und diejenigen verspottete, die noch daran glaubten, wie viele Lehrer Helden waren, wenn sie in Schulen gingen, die von Gewalt verwüstet wurden, und sich trotzdem bemühten, Kindern beizubringen, was sie wissen mußten, um in einer Welt zu überleben, die Ungebildeten keine Gnade entgegenbrachte. Die erste Art von Heldentum — gesuchtes Heldentum — war eindeutig selbstsüchtig, doch ungesuchtes Heldentum war selbstlos. Brian war nun klar, daß dieses ungesuchte Heldentum und nicht der grelle Ruhm von Politik oder Stierkampfarenen den wahrhaftigsten Mut und die tiefste Tugend erforderte. Wenn er das Buch geschrieben, wenn er all seine Gedanken über das Thema ausgearbeitet hatte, würde er endlich bereit sein, sein Leben als Erwachsener zu beginnen. Und er war entschlossen, daß stiller Heldenmut das Thema sein würde.

23:41
     
    Der Techniker schaute von dem Oberflächen-Echolot auf. »Sie bewegen sich wieder.«
     
    »Sie kommen hinab?« fragte Gorow.
    »Jawohl, Herr Kapitän.«
    Im Lautsprecher erklang die Stimme des Maats im vorderen Torpedoraum. Sie enthielt einen neuen Ton der Dringlichkeit.
    Gorow ergriff das Mikrofon unter der Decke so behutsam, als würde er eine Giftschlange anfassen. »Ich höre«, sagte er.
    »Wir haben jetzt viel mehr Wasser als nur ein paar Gramm auf dem Deck, Herr Kapitän. Sieht nach einem oder zwei Litern aus. Das vordere Schott schwitzt von oben bis unten.«
    »Verzerrungen der Schweißlinie?«
    »Nein, Herr Kapitän.«
    »Hören Sie mit dem Stethoskop irgend etwas Ungewöhnliches?«
    »Nein, Herr Kapitän.«
    »Wir werden in zehn Minuten unterwegs sein«, sagte Gorow.

23:42
     
    Stellenweise war der Tunnel so schmal, daß das Halogenlicht vom Eis reflektiert wurde, und dann konnte sie die Tatsache, gefangen zu sein, nicht mehr so leicht verdrängen wie in den Streckenabschnitten, bei denen sie auf allen Seiten von Dunkelheit umgeben war.
     
    Rita wurde ständig von der Vergangenheit und der Gegenwart hin und her gezogen, schwankte zwischen Leben und Tod, Mut und Feigheit. Sie rechnete damit, daß ihr innerlicher Aufruhr von Minute zu Minute nachlassen würde, doch statt dessen wurde er schlimmer.
    Ein paar weit auseinanderstehende Nadelbäume sprenkeln den steilen Hang über der Bergstraße. Kein dichter Wald, aber vielleicht reichen sie ja als Barriere aus, um die Macht der Lawine zu brechen und die tosende Flut einzudämmen: hohe Tannen oder Fichten mit dicken Stämmen, uralt und stark. Dann trifft die weiße Flut auf die Bäume, und sie zerbrechen wie Zahnstocher. Ihre Mutter schreit, ihr Vater ruft etwas, und Rita kann den Blick nicht von der heranstürmenden Welle aus Schnee abwenden, die
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