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Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Titel: Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt
Autoren: Alexander Moszkowski
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dieser Ruf ist tatsächlich der langgehaltene Orgelpunkt, der demGefühlsleben Einsteins zur Grundlage dient. Ich widerstehe der Versuchung, hier denjenigen zu folgen, die sich im Getriebe des Tages auf Einstein als einen homo politicus berufen. Das würde auf Programme und Parteiworte führen, deren Erörterung nicht im Rahmen dieser Schrift liegt; umsoweniger, als die Überzeugungen Einsteins sich klar hinstellen lassen, ohne Bezug auf schematische, im Sinne sehr dehnbaren Bezeichnungen. Eine Individualität wie die seinige geht nicht in einem Fraktionsprogramm auf; und wenn sich einer darauf versteift, ihn weit links zu finden oder ihm den Platz weit links anzuweisen, so möchte ich die Anordnung statt nach links und rechts lieber nach oben und unten wählen. Ich blicke empor zu seinem Idealismus, dessen Niveau vielleicht einmal von einer erhöhten Gesittung, nicht aber vom paragraphierten Gesetz erreicht werden kann. Ich habe ihn auch selten von solchen schablonisierten Rezepten reden gehört, desto häufiger aber Äußerungen und Züge wahrgenommen, aus denen das stärkste, allzeit gegenwärtige Mitgefühl mit jeder menschlichen Kreatur hervorbrach. Sein Programm, nicht mit Tinte entworfen, sondern mit Herzblut, verkündet in der schlichtesten Weise die kategorischen Imperative: Pflichterfüllung den Menschen gegenüber, Hilfsbereitschaft für jedermann, Abwehr jeder materiellen Bedrückung. Also doch wohl ein Sozialist! wird mir entgegengerufen. Macht es dich glücklich, ihn so zu nennen, – er wird dich in diesem Glück nicht hindern. Aber mir erscheint die Wortbekleidung zu eng für ihn. Ich finde zwar keinen Widerspruch in der Bezeichnung, aber auch keine völlige Kongruenz. Soll schon ein Wort gewählt werden, so würde ich eher sagen: ein im weitesten Sinne liberal denkender Demokrat. Ihm ist der Staat nicht Selbstzweck, und ebensowenig glaubt er die Anweisung auf Allheilmittel in der Tasche zu haben. Die Stellung des Einzelnen zum Sozialismus, so sagte er, wird unsicher dadurch, daß man nie zur vollen Klarheit darüber gelangen kann, wieviel von dem ehernen Zwang und der blinden Wirksamkeit in der Geldwirtschaft sich durch Einrichtungen überwinden läßt. Und ich möchte hinzufügen: durch Einrichtungen schwerlich auf die Dauer; wenn überhaupt, dann eher durch das sittliche Beispiel der Entsagungsfähigen. Jeder, der das Motto der Antigone »mitzulieben bin ich da« in sich verwirklicht, bringt uns dem Ziele näher. Alles in allem: von der verwirrenden politischen Betrachtung flüchtet der Sehnsuchtsblick immer wieder zur einfachen Moral. Für Einstein ist sie das Primäre, unmittelbar Ersichtliche, keiner Täuschung Zugängliche. Das Mitleid, – und diesem noch vorgeordnet: die Mitfreude!Das Schönste, was es im Leben gibt, rief er aus, ist ein leuchtendes Gesicht! – –
    Er selbst zeigt es, wenn er seine Ideale entwickelt, vor allem die Internationalität aller geistig Strebenden und den ewigen Völkerfrieden. Der Pazifismus ist ihm Herzens- wie Kopfessache, und er glaubt, daß der bisherige Ablauf der Weltgeschichte nur das Präludium zu dessen Verwirklichung darstellt. Die blutigen Zeichen der bis in die Gegenwart ragenden Vergangenheit machen ihn nicht irre. Er verweist auf die endlosen Stadtkämpfe des italienischen Mittelalters, die schließlich doch einmal, und für immer, von der Welt scheiden mußten, verdrängt vom wachsenden Solidaritätsgefühl. Und so glaubt er an den Friedenssieg, den das Einheitsbewußtsein aller Menschheit dereinst über die dämonische Gewalt der Herrschbegier und der Eroberungssucht erringen muß.
    Das pazifistische Ziel scheint ihm erreichbar, ohne Auslöschung der staatlichen Besonderheiten. Nationale Eigenart nach Tradition und Vererbung bedeuten ihm keinen Widerspruch zur Internationalität, welche die geistigen Gemeinsamkeiten der Kulturvölker umspannt. So weist ihn der Wunsch nach Erhaltung und individueller Pflege der Besonderheit auf das Nebenziel des Zionismus. Die Stimme des Blutes wird vernehmbar, wenn er für eine Staatsgründung in Palästina eintritt, in der er das einzige Mittel erblickt, unter Wahrung individueller Freiheit der nationalen Eigenart des Stammes Dauer zu gewähren. – –
    Wir waren von der Kunst zum Staat gelangt und kehrten dahin zurück, um auch die bildenden Künste rasch zu berühren. Die Malerei wurde mit einem sehr flüchtigen Gruß abgefunden. Sie spielt in Einsteins Dasein keine erhebliche Rolle, und er würde ihrem
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