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Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Titel: Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt
Autoren: Alexander Moszkowski
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des geistigen Pulsschlages heranzieht, um hiernach in Anbetracht der großen Männer die Haupttypen Klassiker und Romantiker festzustellen, so werden wir auch mit dieser Einteilung unserer Figur gegenüber nicht zurechtkommen. Einstein ist ganz bestimmt Klassiker, sofern sein Werk berufen erscheint, weiteren Geschlechtern als die klassische Unterlage aller mechanischen Untersuchungen im Makrokosmus des Himmels und im Mikrokosmus der Atome zu dienen. Seine Vielseitigkeit dagegen, die Beweglichkeit und Schlagfertigkeit seines phantasiebeschwingten Geistes stempeln ihn wiederum zum Romantiker. Zu diesem Typus verweist ihn auch seine Lehrfreude,in offenbarem Gegensatz zur Lehrunlust, die als ein unverkennbares Zeichen bei vielen Klassikern nachweisbar war. Wenn man sonach auch von einer Synthese beider Formen sprechen kann, so tut man doch besser, Einstein nicht nach einem bestehenden Schema, sondern als einen Typus von einmaliger Prägung zu betrachten.
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    Bietet die äußere Kontur seines Lebens einen im ganzen ebenmäßigen Verlauf, so finden wir auch das Innere auf den Ton menschlicher Schlichtheit abgestimmt. Fast nirgends gewahren wir Sprunghaftes, Jähes, Farbengrelles, und soviel er auch an Problemen erfaßt und ausgestreut hat, – er selbst ist keine problematische Natur, seine Psyche gibt uns keine Rätsel auf, in ihrer Analyse stoßen wir auf keine Exzentrizitäten. Daß die Kunst in seinem Leben eine Rolle spielt, wurde hier schon mehrfach angedeutet. Sie ist für ihn kein Kampfgelände, sondern ein Feld elementarer Beglückungen. Was ich von ihm selbst über seine musikalischen Neigungen erfuhr, deckt sich genau mit dem, was ich auch durch reine Beobachtung hätte entnehmen können. Sein Gesichtsausdruck beim Anhören tonkünstlerischer Gaben liefert den ausreichenden Kommentar zu den Resonanzen, die in ihm schwingen. Er ist Klassiker von Bekenntnis mit voller Hingebung an die Offenbarungen Bach's, Haydn's und Mozart's. Ihn fesselt und beseligt vor allem das Verinnerlichte, Kontemplative, auf religiöser Grundstimmung Aufgebaute; die einfache, magistral dahinfließende Linie in der musikalischen Erfindung und Entwickelung ist für ihn das Wesentliche. Was wir bei Bach als architektonisch bewundern, die himmelanstrebende Gothik, mag bei ihm auch Empfindungen auslösen, die auf geheime mathematisch-konstruktive Gründe zurückgehen. Es erscheint mir nicht nebensächlich, auf diese Möglichkeit hinzuweisen; ich würde in ihr auch dafür einen Anhalt finden, daß er sich den auf Sturm und Emotion gerichteten Spannungen der Dramatik nur mit Widerstreben hingibt. Ungern überschreitet er die Grenzscheide, die das Einfache vom Raffinierten trennt, und wo ihn der Kunstverstand nötigt, sich darüber hinauszuwagen, fehlt seiner Anerkennung die rechte Freude. Seine Subjektivität lagert jene Grenze nicht nach den Regeln der üblichen Konzertästhetik, die ja im Grunde keine Regeln sind, sondern wandelbare Wertungen und Gefühlsniederschläge gewisser Menschengruppen.Still und beruhigt läßt er auf sich wirken, ohne sich sonderlich mit Erlebnissen, anzufreunden, auf die seine Empfänglichkeit nicht von selbst anspricht. Es hätte keinen Sinn, das Feld seiner Rezeptivität hiernach abzumessen und ihm zu sagen, es reicht nicht weit genug, vergrößere es, empfinde nicht als Verstiegenheit, was andern nach Tiefe und Gewalt als Offenbarung oder als transzendente Süße erscheint. Er könnte immer darauf hinweisen, daß selbst bei den Meistern der Tonkunst der Glaubenswechsel nicht Seltenes war, daß sie umlernten, verwarfen, was sie vormals anbeteten und vielfach in ihren eigenen Bekenntnissen keinen Halt fanden. Wer sich, wie Einstein, ohne Sensationsdrang dem einfach Kontemplativen beseeligt hingibt, der bleibt vor dem Umlernenmüssen geschützt, und eine Welt verbleibt ihm, selbst wenn sich Welten vor ihm verschlössen. Er erblickt also, um Hauptsächliches zu nennen, weder im Symphoniker Beethoven, noch in Richard Wagner die höchsten Schlüsse der Musik; er würde ohne die Neunte Symphonie existieren können, aber nicht ohne Beethoven'sche Kammermusik. Der Umkreis der Schöpfer und Werke, die für ihn kein Lebensbedürfnis darstellen, ist sehr beträchtlich. In diesen Kreis fallen die Mehrzahl der Romantiker, die erotisch gefärbten Gefühlsschwelger von Chopin und Schumanns Artung, und, wie schon erwähnt, die neudeutschen Musikdramatiker. Viel objektive Bewunderung bringt er für sie auf, allein er verhehlt
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