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Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Titel: Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt
Autoren: Alexander Moszkowski
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überflüssig, steht etwas anderes darin, so ist es schädlich«; wenigstens insofern schädlich, als es besser zu verwendende Zeit absorbiert. Ich übertreibe hier absichtlich, um es recht klar hinzustellen, daß Einstein in einem engen Literaturkreis sein Auskommen findet, und daß er nicht entbehrt, wenn zahlreiche Neuerscheinungen an ihm unbemerkt vorübergleiten.
    Immerhin nennt er mit verehrendem Ausdruck eine Reihe von Autoren, denen er Bereicherung verdankt; die Klassiker, wie selbstverständlich obenan, mit gewissen Einschränkungen, die er, ebenso selbstverständlich, nur ganz persönlich genommen wissen will und durchaus nicht im Sinne der Wertkritik. Der Unterschied liegt bei ihm wesentlich in der Betonung, aus der wir das größere oder geringere Maß der Liebe heraushören können. Sagt er: »Shakespeare«, so vibriert der Ewigkeitswert schon im Klange des Namens. Sagt er »Goethe«, so schwingt leise dissonierend ein Unterton; dessen Deutung kann uns nicht schwer fallen. Er bewundert ihn mit dem Pathos der Distanz, aber in diesem Pathos glüht keine Herzenswärme.
    Ich hätte es mir zugetraut, aus der Kenntnis seines Naturells die Männer und Werke zu folgern, die in ihm starken Nachhall wecken mußten. Eine ziemlich klar vorgezeichnete Linie führt hier auf die richtigen Spuren. Außerhalb jeder systematischen Reihe nenne ich Dostojewski – Cervantes – Homer – Strindberg – Gottfried Keller im positiven, Emile Zola und Ibsen im negativen Sinne. Im großen und ganzen stimmte die Prognose nicht übel mit seinen eigenen Angaben. Nur daß er den Don Quixote und die Karamasoffs noch um etliche Grade stärker herausstellte, als ich vermutete. Bezüglich Voltaires äußerte er sich mit Vorbehalten; an seine dichterische Höhe glaubt er nicht, vielmehr will er ihn nur als scharfgeistigen, amüsanten Schriftsteller gelten lassen. Vielleicht würde Einstein bei intensivererBeschäftigung mit Voltaire und Zola diese Geistesverwandten höher einschätzen. Aber hierfür ist keine Aussicht vorhanden, denn ihn schreckt die Weitschichtigkeit der Werke. Die Zeit, die der Physiker Einstein als relativ nachgewiesen hat, besitzt nach Stundenmaß für ihn einen durchaus absoluten Wert, und wenn man ihm zum Genuß dicke Bücher aufreden will, so macht man sich bei ihm nicht beliebt.
    Unser philosophisches Schrifttum entlockt ihm keine Jubelfanfaren. Übernähme jemand die Aufgabe, Einsteins Beziehung zur Philosophie darzustellen, so wäre ihm zu raten, lieber in seine Werke hineinzusteigen, als ihn persönlich zu befragen; in jenen wird er reiche Anweisungen finden, ausgestellt auf die Zukunft, einer Erkenntniskritik, die sich heute schon vernehmlich ankündigt. Ein großer Teil der Philosopheme wird einmal durch den Einstein'schen Filter hindurch müssen, um sich zu reinigen. Er selbst, so will es mir scheinen, überläßt diese Filtrierarbeit zumeist anderen Denkern, wir aber dürfen nicht aus den Augen verlieren, daß diese andern sich in Anschauungen von Raum, Zeit und Kausalität bewegen, die sie aus Einsteins Physik gewinnen. Hieraus wird ohne weiteres klar, daß er die Aufschlüsse über die letzten Dinge in der vorhandenen Literatur nicht findet; einfach deswegen, weil sie dort nicht zu finden sind. Für ihn stellen die berühmten Werke, um mit Kant zu reden, »Prolegomena« dar zu einer »künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können«. Der Akzent liegt auf dem Futurum, das bis heute noch nicht Präsens geworden ist. Viele rühmt er, zumal Locke und Hume, keinem gesteht er die Endgültigkeit zu, auch nicht dem großen Immanuel, von vielen andern ganz zu schweigen, von Hegel, Schelling, Fichte, die er in diesem Zusammenhange kaum erwähnt. Schopenhauer und Nietzsche stellt er als Schriftsteller sehr hoch, als Sprachmeister und Bildner eindruckskräftiger Gedanken; er wertet sie nach literarischer Höhe und leugnet die philosophische Tiefe. Was Nietzsche anlangt, den er, nebenbei bemerkt, als zu glitzernd bezeichnet, so regen sich in ihm gewiß auch ethische Widerstände gegen den Verkünder der Herrenmoral, die seiner eigenen Ansicht der Beziehung von Mensch zu Mensch so schroff widerspricht.
    Schon zuvor, beim Thema der klassischen Dichtung, hatte er unter den ihm Herzensnahen mit besonderem Nachdruck Sophokles genannt. Und mit diesem einen Namen rühren wir an das Grundbekenntnis des Menschen Einstein. Nicht mitzuhassen, mitzulieben bin ich da, ruft die Sophokleische Antigone, und
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