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Simon Schweitzer - immer horche, immer gugge (German Edition)

Simon Schweitzer - immer horche, immer gugge (German Edition)

Titel: Simon Schweitzer - immer horche, immer gugge (German Edition)
Autoren: Frank Demant
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Herr Simon Schweitzer, mit tz, wie man sieht, öffnete sachte die Tür und zog die Schuhe aus. Ihr Schlüsselbund mit dem lustigen Seehundanhänger hing wie erwartet am Bord, also verhielt er sich noch leiser als er es ohnehin schon tat. Auf Zehenspitzen und Strümpfen schlich er zu seinem Zimmer, wobei er achtsam die Dielen, welche unter Belastung übermäßig knarrten, aussparte. Nachdem er die Zimmertür geschlossen hatte, schaltete er das Licht an und ging zum Fenster. Rechts, also im Osten, erkannte er einen schwachen, horizontalen Lichtschein. Es war aber auch wieder spät geworden, heute. Oder früh, je nachdem. Herr Schweitzer begann sich auszuziehen und trällerte dabei tonlos ein Liedchen. Akkurat legte er die Kleidung über die Stuhllehne. Er war eine Spur besser gelaunt als sonst, ja für seine Verhältnisse geradezu euphorisch, denn er hatte in der vorletzten, er überlegte ganz kurz, genau, der vorletzten Lokalität eine Dame kennengelernt, die seinem Anforderungsprofil entsprach, sofern er das bis dato in der Lage war zu erkennen. Daran konnten auch die in der abschließenden Kneipe konsumierten Getränke, darunter mehrere Absacker, nichts mehr ändern. Er selbst hatte sich bei dieser Aktion dezent im Hintergrund gehalten, denn Schnaps, das wußte er seit seiner Schulzeit, war nichts für sein zartes Gemüt. Man hatte hernach oft Filmrisse, starke Kopfschmerzen, Brechreiz, bis hin zur Ausführung respektive Erleichterung, und ein unerträglich schlechtes Gewissen, wobei sich letzteres wegen der Filmrisse lediglich auf Ahnungen und Vermutungen stützen konnte. Also keinen Schnaps für ihn, er hatte sich mit zwei kleinen Pils begnügt, das zweite davon schlußendlich nicht einmal ausgetrunken. Die drei Damen allerdings waren, als man sich dann vor dem Frühzecher verabschiedete, so ziemlich knülle, und das, obzwar sie im allgemeinen und soweit ihm bekannt, sehr trinkfest waren. Babsi, mit bürgerlichen Namen wohl Barbara genannt, aber das hatte Herr Schweitzer zu eruieren vergessen, hielt sich noch am besten, war eventuell aber nicht von Beginn an dabeigewesen.
    Simon Schweitzer hatte sich mittlerweile auf die Bettkante gesetzt und begann auf die drei aneinandergeklebten Blättchen, Tabak zu häufen. Er überlegte, wann er das letzte Mal an zwei aufeinanderfolgenden Tagen im Weinfaß war, aber es wollte ihm partout nicht einfallen. Er neigte sogar zu der Behauptung, daß dies noch nie vorgekommen sei, was durchaus als realistisch einzuschätzen war, zog es ihn doch nur sporadisch dorthin, von Stammkneipe konnte also überhaupt keine Rede sein. Morgen, beziehungsweise heute ja schon, würde es, falls alles nach Plan lief, diesbezüglich zu einer Premiere kommen, denn er hatte sich, wenn auch nur extrem vage, im Weinfaß mit Babsi verabredet. Und mit den anderen beiden Damen auch, notgedrungen. Man könne sich ja heute abend wieder treffen, so gegen zehn vielleicht, hatte er vorgeschlagen und dabei bewußt niemanden angesehen, da er zu diesem Zeitpunkt ein Vorpreschen seinerseits in Sachen Zielperson Babsi für vollkommen verfrüht hielt. Schließlich galt es ja, erst einmal unbekanntes Terrain zu sondieren. Möglicherweise lauerte irgendwo ein Nebenbuhler, vielleicht sogar ein zu Gewalttaten neigender Ehegatte. An solchen Klippen pflegte Herr Schweitzer nämlich elegant vorbei zu schippern. Ich bin doch nicht blöd, war von alters her eine seiner Devisen. Auf jeden Fall war seinem Vorschlag reger Zuspruch widerfahren. Das Leben an sich allerdings hatte ihn gelehrt, daß um diese Uhrzeit und in diesem Zustand getroffene Verabredungen nur bedingt Gültigkeit besaßen. Aber sich darob jetzt verrückt zu machen, war nicht seine Art.
    Ohne jede Eile öffnete er das zigarettenschachtelgroße, schwarze, mit Perlmutt intarsierte Lackkästchen, das im Schein der Lampe silbrig matt glänzte. Er nahm den Brocken heraus und hielt das eine Ende in die Flamme seines Feuerzeuges. Dann begann er das erhitzte nepalesische Dipayal Charras auf den Tabak zu bröseln. Als er glaubte, ungefähr ein halbes Gramm verteilt zu haben, legte er den Rest wieder in das Kästchen zurück. Anmutig drehte er mit eingeübten Bewegungen seinen Gute-Nacht-Joint. Dann ging Herr Schweitzer zum Fenster und zündete ihn an. Der Sonnenaufgang war jetzt so weit fortgeschritten, daß er ein liebliches Orange auf den Horizontstreifen legte. Fasziniert beobachtete er das Farbenspiel. Die Sonne selbst konnte er nicht sehen. An dieser Seite des
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