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Simon Schweitzer - immer horche, immer gugge (German Edition)

Simon Schweitzer - immer horche, immer gugge (German Edition)

Titel: Simon Schweitzer - immer horche, immer gugge (German Edition)
Autoren: Frank Demant
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Schärfste brüskiert, zumal Karin ihn ja seit mehr als zwei Dekaden kannte. Gedanklich bastelte er an einem stilvollen Abgang. Dabei zog er einen Seidigen, wie den des Pinot Noirs, in Betracht. Trotzdem hörte er mit einem halben Ohr dem lautstarken Monolog der Dame zu, von der er wußte, daß sie mit eben jenem Frankfurter Abgeordneten Klaus-Dieter Schwarzbach verheiratet war, der vor langer Zeit zu seinen politischen Verbündeten gezählt hatte. Das war allerdings vor dessen Politikerkarriere gewesen. Die Wortwahl von Karin allerdings hatte heute eher rustikalen Charakter.
    „Dieses Arschloch, dieses blöde. Was glaubt der eigentlich, wer er ist. Der Kaiser von China, oder was? Wenigstens mal anrufen hätte er können. Aber nein, der Herr Abgeordnete ist ja wichtig. Zwei Stunden habe ich das Essen warm gehalten. Und ich blöde Kuh eß nichts, weil ich denke, jeden Augenblick könnte er durch die Tür schneien und der Abend wäre gerettet. Wegschmeißen hab ich’s können. Zum Schluß war alles nur noch Matsch, der ganze Fraß. Arschloch, blödes.“
    „Kommt das öfter vor?“ fragte die andere Dame mit sanfter, um Ausgleich bemühter Stimme.
    Wo ist Babsi, fragte sich Herr Schweitzer zum wiederholten Mal, traute sich aber nicht, sich ins Gespräch zu bringen, zumal man ihn weiter ignorierte. Halt suchend blickte er zu Bertha, die aber damit beschäftigt war, zwei Gläser Rotwein vor die Damen auf den fast dreihundertjährigen Eichentresen zu stellen, ohne daß Simon Schweitzer bemerkt hatte, daß eine Bestellung aufgegeben worden war.
    Karin, Gattin des vermeintlichen Arschlochs, antwortete, jetzt schon etwas versöhnlicher gestimmt: „Nein, eigentlich nur ganz selten. Aber bisher hat er vorher immer angerufen. Ich hab ja auch Verständnis dafür. Bei seiner Position kann es halt schon mal spät werden. Überraschungen sind immer drin. Ach, Maria.“
    Soso, Maria also, dachte Simon Schweitzer und räusperte sich zaghaft, aber von Erfolg gekrönt. Die Damen drehten sich zu ihm um.
    „Ach, schau mal. Ist das nicht Gustav, der von gestern abend?“ meinte Maria leutselig.
    „Simon. Simon Schweitzer“, verbesserte Simon Schweitzer, nahm sein Glas und bewegte sich Richtung Leutseligkeit, fest entschlossen, sich nicht durch Marias Vergeßlichkeit aus der Fassung bringen zu lassen.
    „Ja richtig. Simon. Wie geht’s dir denn heute?“ Karin war nun endgültig von ihrem unzuverlässigen Gatten abgelenkt. „Hast du auch einen Kater?“
    „Nur einen ganz kleinen“, schummelte er ein wenig, denn er pflegte sich nicht mehr zu betrinken. Aber dieses kleine Zugeständnis würde möglicherweise die Kommunikation fördern, überlegte er schelmisch.
    „Ich hab mich miserabel gefühlt“, leistete Maria einen Konversationsbeitrag.
    „Das kannst du laut sagen“, bestätigte Karin Schwarzbach. „Aber man soll mit dem anfangen, womit man aufgehört hat.“ Sie hielt ihr Glas hoch und man prostete sich zu. Auf die Gesundheit.
    Herr Schweitzer hatte unterdes Karins Gesichtszüge mit wissenschaftlicher Akribie analysiert und war zu dem abschließenden Urteil gekommen, daß sie wohl täglich mit den Alkoholika fortfuhr, die am Abend vorher den Abschluß gebildet hatten. Tiefe Furchen auf der Stirn und dazu jede Menge Schminke über aufgedunsenem Gesichtsfleisch zeugten von einem freudlosen Dasein. Kein Wunder, daß Herr Schwarzbach nicht nach Hause gekommen war. Das ist nicht fair, überlegte Simon Schweitzer weiter, vielleicht blieb ihr bei diesem Ekel von Gatten auch kaum eine andere Wahl als die tägliche Flucht in eine Traumwelt. Mit Klaus-Dieter war damals der Kontakt schnell abgebrochen, als die allumfassende Niederlage der Startbahngegner festgestanden hatte.
    Die eingetretene Pause nutzte Herr Schweitzer geschickt: „Wo ist eigentlich die andere Dame von gestern? Wie hieß sie noch gleich?“
    „Babsi. Meine Nichte. Die ist heute abend nach Detroit geflogen. Hat für ein Jahr eine Au-pair-Stelle angenommen. Englisch lernen, so richtig native. In Bay City, irgend so ein kleines Nest am Huronsee.“
    Simon Schweitzer verlor nicht den Boden unter den Füßen. Schließlich war er ja eine gestandene Persönlichkeit von sechsundvierzig Jahren. Da mußten schon andere Geschütze aufgefahren werden, um ihn in seinen Grundfesten zu erschüttern. Nein, nur weil so eine dusselige Kuh sein intensives Werben abschlägig beschieden hatte, geriet die Welt nicht aus den Fugen.
    „Noch so ein Kabinett sauf-le-blanc“, bestellte
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