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Simon Schweitzer - immer horche, immer gugge (German Edition)

Simon Schweitzer - immer horche, immer gugge (German Edition)

Titel: Simon Schweitzer - immer horche, immer gugge (German Edition)
Autoren: Frank Demant
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er eloquent. Er werde sich fürderhin einen Dreck ums weibliche Geschlecht scheren.
    „Aber du hast doch noch ein fast volles Glas vor Dir“, bemerkte Bertha irritiert. „Außerdem hattest du einen Pinot Noir, keinen Cabernet Sauvignon.“
    „Ach, habe ich gar nicht bemerkt.“ Simon Schweitzer errötete leicht, was aber dank der diffusen 25-Watt-Beleuchtung unbemerkt geblieben war. Er hatte aber jegliches Interesse an diesem Abend verloren. Routiniert brachte er den seinen restlichen Wein begleitenden Small talk über die Runden und empfahl sich unspektakulär.
    Vertrottelte Teenager bevölkerten noch immer händchenhaltend und bekloppt grienend die Trottoirs, als Simon Schweitzer nach Hause ging. Außerdem könnten die Weiber ruhig mal ihre Titten bedecken, befand er. Zudem beschloß er, das Weinfaß bis auf weiteres zu meiden.
    Der lustige Seehund hing am Bord, als Herr Schweitzer nach Hause kam. Nach Himalaja-Zeder riechende Räucherstäbchenschwaden empfingen ihn. Lauras Zimmertür stand halb offen. Psychedelische Klänge drangen in sein Ohr. Eine Tabla versuchte gerade im harmonischen Wettstreit mit einem Sitar die Herrschaft in einer Band zu übernehmen. Simon Schweitzer schlich sich vorbei. Aus den Augenwinkeln konnte er seine Untermieterin von der Wirklichkeit entrückt, im Schneidersitz auf einer politisch korrekt auf einem Basar für gefallene Jungfrauen erworbenen Patchworkdecke sitzen sehen. Sie hatte ihre indische Phase.
    Simon Schweitzer war es gelungen, unbemerkt in sein Zimmer, das direkt an Lauras grenzte, zu gelangen. Nur noch mit Unterhose bekleidet, betrachtete er sich ausgiebig im Innenspiegel des massiven Biedermeier-Kleiderschrankes, ein Erbstück seiner Mutter. Geschmack hatte sie, das mußte man ihr lassen.
    Nein, ein Alpha-Männchen war er nicht. Dem stand nicht nur der Bauch im Wege. Der ganze Körper hatte nicht die rechte Proportion. Schlaffe Schultern, dünne, unmuskulöse Arme und Beine. Er versuchte es im Profil. Doch nur ganz kurz, denn was er sah, gemahnte ihn stringent an einen schauerlichen Kataklysmus. Herr Schweitzer fragte sich, welcher Gewichtsklasse im Boxsport seine hundert Kilo wohl zuzuordnen seien. Halbschwergewicht oder war es schon Superschwergewicht? Auch war ihm völlig schleierhaft, was Frauen, selten genug, dazu bewog, mit ihm intim zu werden. Vielleicht roch er ja gut.
    Abrupt ließ er sein Spiegelbild im Stich und legte sich niedergeschlagen ins Bett. Auf einen Joint verzichtete er, damit wäre auch nichts mehr zu retten gewesen.
    Der Schlaf hatte das Thema Babsi, welches kein Thema geworden war, fast restlos ausgelöscht. Simon Schweitzer war früh aufgestanden. Auf dem Weg zum Bäcker grüßte ihn ein ehemaliger Kollege per Klingelzeichen. Er hatte große Mühe, im Führerhaus ein Gesicht auszumachen, zu sehr spiegelten sich die Hausfassaden in den Scheiben. Sicherheitshalber legte er sein freundlichstes Gesicht auf und grüßte zurück. Nicht einmal zwei Jahre waren vergangen, seit er seine letzte Schicht auf der 14 gefahren war. Zehn Jahre lang, immer dieselbe Strecke. Die Namen der Haltestellen verfolgten ihn immer noch bis in den Schlaf. Oft hatte er sie durchsagen müssen, wenn die automatische Bandansage wieder mal verrückt gespielt hatte. Aber U-Bahnfahrer wäre nichts für ihn gewesen, dagegen hatte sich Herr Schweitzer immer gewehrt, auch wenn in den neuen Wagen die Heizungen viel besser funktionierten. In sehr kalten Wintern hatte er erbärmlich gefroren. Oft genug hatte man ihm einen Wechsel angeboten, aber er blieb seiner Linie 14 treu. Oberirdisch spielt sich nun mal das Leben ab, hatte er dann immer gesagt. Aber später, letztes Jahr, hatte er plötzlich keine Lust mehr auf seine Arbeit gehabt. Diesen Umstand schrieb Simon Schweitzer einer Krise zu, die mehr so allgemeiner Natur war. Dann kam zum rechten Zeitpunkt der Aktiengewinn, der aus ihm einen anderthalbfachen Millionär machte, und er entledigte sich Knall auf Fall seiner Lebensstellung. Millionär, wie komisch das klang, wenn man selbst einer war.
    Als er vom Brötchenholen zurück war, vernahm er Geräusche im Badezimmer. Er setzte Kaffee auf, preßte Orangensaft aus und deckte den Tisch. Dann schwebte Laura zur Tür herein und küßte ihn auf die Stirn. Der Badezimmeraufenthalt hatte seine Spuren hinterlassen, respektive die des Alterns vernichtet. Sie sah blendend aus.
    „Hallöchen. Guten Morgen mein Brummbär.“
    Herr Schweitzer fand nicht, daß er ein Brummbär sei. Auch nicht
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